Von Dessau nach Tokyo

Internationale Moderne: Japan

Nicht nur die politischen Beziehungen des asiatischen Inselstaats zur Alten Welt haben eine lange Tradition. Auch in kultureller Hinsicht gibt es lange Verbindungslinien. Aus diesem Anlass werfen wir einen Blick auf einige Protagonisten, die durch ihre Reisen, ihre Arbeit und ihre Kontakte im direkten Austausch Brücken zwischen Japan und dem Bauhaus geschlagen haben.

Nachlass Michiko Yamawaki, aus: "Frauen am Bauhaus", Verlag Knesebeck 2019
Studentenausweise von Iwao und Michiko Yamawaki, Bauhaus Dessau

headline

Nach der Öffnung Japans kam über die Präsentation auf den großen Weltausstellungen, Reiseberichte und die Fotografie ab Mitte des 19. Jahrhunderts ein Bild von Japan nach Europa, das von der europäischen Avantgarde auf ihrer Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten begeistert aufgenommen wurde. Künstlerkontakte, Auslandsaufenthalte und die beiderseitige Rezeption intensivieren Anfang des 20. Jahrhunderts das Wissen und den Austausch zwischen Europa und der japanischen Avantgarde.

Henry van de Velde war einer der Künstler, der sich intensiv mit japanischer Kunst und Kunsthandwerk beschäftigte und diese als Inspirationsquelle für sein eigenes Schaffen sah. Dass die japanische Ästhetik auch am Bauhaus vereinzelt rezipiert wurde, hat Claudia Delank ausführlich dargelegt[1]. Am augenscheinlichsten wird dieser Einfluss an Theodor Boglers Entwurf von 1923 für ein Tee-Extraktkännchen mit seitlichem Griff – eine in Japan gebräuchliche Form des Teekännchens (Kyuzu).

Japaner am Bauhaus

Als erster Japaner besuchte 1922 der Maler und Kritiker Nakada Sadanosuke das Bauhaus in Weimar. Nakada lebte zu dieser Zeit mit einer Gruppe japanischer Maler in Berlin und berichtete nach seinem Besuch in Weimar als einer der ersten in Japan über die Ziele und die Arbeit des Staatlichen Bauhauses[2].

Der erste japanische Studierende am Bauhaus war der Maler Takehiko Mizutani. Nach seinem Studium an der Kunstakademie Tokyo kam er über ein Stipendium 1926 nach Deutschland und besuchte in Berlin zunächst die Reimann-Schule. 1927 schrieb er sich am Bauhaus Dessau ein, wo er nach dem Vorkurs bei Josef Albers und László Moholy-Nagy in der Möbelwerkstatt und der Architekturabteilung arbeitete. 1929 verließ Mizutani das Bauhaus und kehrte 1930 in seine Heimat Japan zurück.

Zu den wohl bekanntesten japanischen Studierenden am Bauhaus zählt das Ehepaar Iwao und Michiko Yamawaki. Iwao Fujita, wie er vor seiner Heirat mit Michiko Yamawaki, Tochter eines japanischen Teemeisters, hieß, war an der Tokyo School of Arts zum Architekten ausgebildet worden und verkehrte nach seinem Studium in Avantgarde-Kreisen. Gemeinsam brachen Iwao und Michiko Yamawaki 1930 nach Deutschland auf und studierten dort zwischen 1930 und 1932 am Bauhaus in Dessau.

Hier wendete sich Iwao neben der Architekturausbildung bei Mies van der Rohe und Ludwig Hilberseimer verstärkt auch der Fotografie zu und besuchte den Unterricht bei Walter Peterhans. Seine Frau Michiko lernte nach dem Vorkurs in der Weberei bei Gunta Stölzl und Anni Albers. Als sich 1932 der politische Druck auf das Bauhaus verschärfte und der Umzug nach Berlin bevorstand, kehrten die Yamawakis in ihre Heimat zurück. Mit im Gepäck hatten sie zahlreiche am Bauhaus entstandene Arbeiten und Möbel, aber auch Bücher sowie zwei Webstühle, an denen Michiko später in ihrem Tokioter Studio als erfolgreiche Textil- und Modedesignerin arbeitete.

Iwao gründete sein eigenes Architekturbüro und vereinte in seinen Projekten wie dem Ateliergebäude für den Maler Kotaro Migishi oder der eigenen Villa der Yamawakis moderne Formen mit einer traditionellen japanischen Innenraumgestaltung[3]. Als moga und mobo (Modern girl und Modern boy) repräsentierten die Yamawakis den westlichen Lebens- und Kleidungsstil, den sie in ihren Jahren in Europa kennengelernt hatten[4].

headline

Auch der Architekt Tetsuro Yoshida reiste zwischen 1931 und 1932 nach Europa, wo er zahlreiche führende Architekten der Moderne traf. Bei seinen westlichen Architekten-Kollegen stieß Yoshida auf ein großes Interesse an japanischer Architektur, so dass er sich aus Japan detaillierte Zeichnungen des japanischen Hauses nachschicken lassen wollte[5]. Am 7. November 1931 besuchte Yoshida das Bauhaus in Dessau und hielt hier einen kurzen Vortrag. Ermutigt durch Hugo Häring und Ludwig Hilberseimer, veröffentlichte er 1935 im Ernst Wasmuth Verlag sein zum Klassiker avanciertes Buch „Das japanische Wohnhaus“, das – wie Manfred Speidel es nennt – für die europäischen Architekten nach 30 Jahren die Geheimnisse des japanischen Hauses lüftete[6].

Zurück in Japan

Zurück in der Heimat kreuzten sich die Wege der japanischen Bauhäusler um den Architekten Kawakita Renshichiro. Dieser hatte zwar nicht selbst am Bauhaus studiert, jedoch ein großes Interesse an der Gestaltungslehre am Bauhaus, in die er über Nakada Sadanosuke und Takehiko Mizutani tieferen Einblick erhielt. Dank seiner deutschen Sprachkenntnisse hatte Kawakita zudem Zugang zu deutschsprachigen Publikationen. So übersetzte er unter anderem László Moholy-Nagys 1929 erschienenes Buch „Von Material zu Architektur“, in dem dieser sein pädagogisches Konzept am Bauhaus niederschrieb, ins Japanische.

Gemeinsam mit Takehiko Mizutani und anderen gründete Kawakita 1931 das „Institut für Lebensgestaltung“. An der ein Jahr später von ihm gegründeten „School of New Architecture and Design“ versammelte er Mizutani und das Ehepaar Yamawaki als Lehrkräfte, um die Lehre des Bauhauses an eine neue Generation von Gestaltern weiterzugeben[7]. 1934 erschien Kawakitas kunstpädagogisches Lehrbuch, das stark von der Bauhaus-Lehre beeinflusst war und in Japan weit rezipiert wurde.

Wie das Bauhaus bestand auch Kawakitas progressive Schule nur wenige Jahre. Sie ist ein, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel dafür, wie die Bauhaus-Lehre in Japan in der Ausbildung von Künstlern, Architekten und Gestaltern ihre Verbreitung fand.

[NO 2017]

Migishi Atelier, Architektur: Iwao Yamawaki, 1934
Migishi Atelier, Architektur: Iwao Yamawaki, 1934
  1. [1] Delank, 1999
  2. [2+3] vgl. Weber, Avantgarde im Dialog, S. 10
  3. [4] Čapková 2014
  4. [5] Hyon-Sob Kim, S. 53
  5. [6] Ebd., S. 48
  6. [7] vgl. Čapková 2017
Zum Seitenanfang