Elementarunterricht
1922–1933
Der Zusammenhang von Farben und Formen nahm in Kandinskys Denken und Kunstpädagogik einen zentralen Platz ein. Die Zuordnung der Grundfarben zu den Grundformen geht auf seine Farb- und Formenlehre zurück.
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Kandinsky war einer der wirkungsmächtigsten Bauhaus-Meister und seit dem Weggang Johannes Ittens stellvertretender Bauhaus-Direktor bis 1933. Seinem Unterricht am Bauhaus kam aufgrund seiner prägenden Form- und Farbenlehre eine besondere Bedeutung zu. Im Sommer 1922 wurde der russische Maler Wassily Kandinsky an das Bauhaus berufen. Er gehörte dem Lehrkörper bis 1933 an. In Weimar leitete Kandinsky bis 1925 die Werkstatt für Wandmalerei. Ferner unterrichtete er dort im Rahmen des Vorkurses die Formenlehre, zu der eine umfangreiche Farbenlehre gehörte. Bestandteile seines Elementarunterrichts in Dessau waren das „Analytische Zeichnen“, der Kurs „Abstrakte Formelemente“ und das „Farbenseminar“.
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Kandinskys Farbenseminar gehörte zur „Einführung in die abstrakten Formelemente“ und beeinflusste das Bauhaus bis in die Arbeit der Werkstätten und in die Bauabteilung hinein. Der Zusammenhang von Farben und Formen nahm in Kandinskys Denken einen zentralen Platz ein. Die für das Bauhaus charakteristische Zuordnung der drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau zu Quadrat, Dreieck und Kreis geht auf eine Umfrage Kandinskys am Weimarer Bauhaus zurück. Die Mehrzahl der Befragten schloss sich seiner Argumentation an. Es gab jedoch auch Kritik, so beispielsweise von Oskar Schlemmer. Die vermeintlich empirisch gestützte Farb-Form-Zuordnung, die schnell zu einem Markenzeichen für das Bauhaus wurde, genießt noch heute ungebrochene Popularität.
Kandinskys Farbenlehre folgt keineswegs rein wissenschaftlichen Überlegungen, obwohl er viele diesbezügliche Ansätze kannte, darunter die des Chemikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald. Es sind vielmehr introspektiv gewonnene Erkenntnisse, die er als wissenschaftliche präsentierte. Seinen Studierenden führte er verschiedene Ordnungssysteme vor, demonstrierte zugleich aber auch deren Relativität. Seine Farbenlehre entwickelte er bereits in seiner frühen Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ (1911), mit der er, angeregt von Goethes farbenpsychologischen Betrachtungen, eine synästhetisch ausgerichtete Farbentheorie niederlegte.
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In seinem Unterricht über „Analytisches Zeichnen“ forderte Kandinsky die rationale Durchdringung künstlerischer Gestaltungsgrundlagen. Sowohl die Sensibilisierung der Wahrnehmung als auch die konstruktive Bildorganisation waren zentrale Anliegen seiner Kunstpädagogik, einer „Erziehung zur klaren Beobachtung und klaren Wiedergabe der Zusammenhänge“ wie Kandinsky es 1928 in der Bauhauszeitschrift formulierte.
Unter Hannes Meyers Direktorat unterrichtete Kandinsky auch den theoretischen Kurs „Künstlerische Gestaltung“ für höhere Semester. Hier ging es um die Untersuchung der Beziehungen zwischen Kunst, Architektur und Technik. Zahlreiche namhafte Künstler, u. a. Max Bill, besuchten die ab 1927 eingerichtete Freie Malklasse Kandinskys am Dessauer Bauhaus, da ihm als Künstler wie als Theoretiker ein außerordentlicher Ruf vorauseilte.