Bauhaus Weimar International
Visionen und Projekte 1919–1925

Michael Siebenbrodt

Das Programm und Manifest des Staatlichen Bauhauses in Weimar von Walter Gropius lockte ab Frühjahr 1919 mehr als zweihundert Studierende aus ganz Europa in die deutsche Provinz. Der Ausländeranteil stieg in Weimar bis1922 auf 17,5 Prozent, am Bauhaus in Dessau Ende 1931 sogar auf 32 Prozent. Chancengleichheit war oberstes Gebot. Es gab praktisch keine Einschränkungen hinsichtlich des Geschlechts, der Nationalität, Hautfarbe, Religion/Weltanschauung, Vorbildung oder finanzieller Möglichkeiten der Studierenden. Der einsemestrige Vorkurs, ein Probesemester, entschied über die Eignung der Studienwilligen und ermöglichte den Ausländern das Erlernen der deutschen Sprache in der Gemeinschaft. Eine erste größere Gruppe von Studierenden begleitete ihren Lehrer Johannes Itten aus Wien Ende 1919, überwiegend aus bürgerlichen jüdischen Elternhäusern. Die zweite Gruppe folgte ab Mitte 1920 über Wien und Berlin, junge ungarische Emigranten aus Pécs und Budapest, die sich teilweise politisch an der ungarischen Räterepublik beteiligt hatten und nun politisch verfolgt wurden. Dazu gehörten Marcel Breuer, Andor Weininger, Henrik Stefan oder Farkas Molnár.[1]

Mehr als drei Jahre dauerte auch die Formierung des Lehrkörpers für das Bauhaus unter Leitung von Gropius, da erst mit dem Ausscheiden ehemaliger Professoren der alten Kunsthochschule wie Max Thedy, Richard Engelmann oder Walther Klemm ab 1920/21 freiwerdende Stellen neu besetzt werden konnten. Aber schon die ersten Berufungen deuteten den internationalen Kurs zu einer Avantgardehochschule, zu einer Hochschule des Erfindens, an. Dem Amerikaner Lyonel Feininger folgte der Schweizer Johannes Itten an das Bauhaus noch im Gründungsjahr. Das Team wurde systematisch ergänzt durch den Schweizer Paul Klee 1921, den Russen Wassily Kandinsky 1922 und den Ungarn László Moholy-Nagy 1923. Abgerundet wurde das Lehrerkollegium durch die deutschen Künstler Gerhard Marcks, Georg Muche und Oskar Schlemmer sowie den Architekten Adolf Meyer, den Partner von Gropius im Architekturbüro. Die Verbindung dieser Avantgardekünstler als „Formmeister“ und Leiter der Bauhauswerkstätten mit ausgewiesenen Handwerksmeistern in einem dualen System garantierte die kreativitäts- und persönlichkeitsfördernde Ausbildung der Studierenden. Die verschiedenen künstlerischen und pädagogischen Erfahrungen dieses Lehrkörpers und der international zusammengesetzten Studentenschaft bildeten die permanente Diskussionsplattform zur Entwicklung des Bauhauses, die stets auf die Förderung aller Talente der Studierenden zu eigenständigen Gestalterpersönlichkeiten gerichtet war.[2]

Mit seiner „Kathedrale der Zukunft“, dem Titelholzschnitt zum Bauhausprogramm, setzte Feininger 1919 ein künstlerisches Zeichen zum Aufbruch. Das erste Bauhaus-Signet (Abb. 1) wurde dagegen wenige Wochen später von Karl Peter Röhl als Sieger eines studentischen Wettbewerbs entwickelt. Sein „Sternenmännchen“ symbolisiert in kongenialer Weise den geistigen Kosmos und die pädagogischen Ziele des frühen Bauhauses. Im Mittelpunkt steht der Mensch, die Vision einer neuen, friedlichen, weltumspannenden Menschengemeinschaft. Die Weltreligionen und Weltkulturen werden in diesem Signet vereint. Die schlanke Figur trägt mit ausgestreckten Armen eine ägyptische Pyramide, begleitet von kosmischen Symbolen wie dem Hakenkreuz, dem Sonnenrad und Glückssymbol der Buddhisten. Der kreisförmig stilisierte Kopf – halb schwarz, halb weiß – symbolisiert das Jing und Jang der Chinesen. Das Strichmännchen selbst ist die germanische Rune für Mann und Frau, das im Schriftkreis zugleich auf die berühmte Darstellung des Idealmenschen der Renaissance von Leonardo da Vinci verweist.[3] Dieses fast übercodierte Signet für eine neu formierte Hochschule verdeutlicht die Überwindung alter, eurozentristischer Denk- und Verhaltensmuster und das Ziel, kreative Gestalter für eine demokratisch verfasste und sich weiter globalisierende Welt auszubilden. Von expressiv überbordenden Utopien und Visionen befreit, übernimmt Oskar Schlemmer 1921 mit seinem Signet, dem berühmten Bauhaus-Kopf im Profil, die zentrale Aussage Röhls.

Johannes Itten dominierte das pädagogische Profil des Bauhauses in den Aufbaujahren. Noch in Wien druckte er 1919 seine Mappe mit zehn Lithografien, die sein künstlerisches und kunstpädagogisches Programm visualisieren. (Abb. 3) Er zeigt gleichzeitig unterschiedliche Stufen und Methoden künstlerischer Abstraktion. Neben Pflanzen und einer Alpenlandschaft stehen dynamisch-bewegte Figurendarstellungen, die vom italienischen Futurismus inspiriert scheinen. Hinzu treten ungegenständlich-abstrakte Kompositionen, kosmische Visionen, die aber auch innere Gemütszustände versinnbildlichen können. Bemerkenswert ist bis heute der pluralistische, man könnte auch sagen konzeptuelle Ansatz dieser Grafikfolge.[4] Mit seiner Publikation „Analysen Alter Meister“ in der Zeitschrift Utopia veröffentlichte Itten 1921 einen Teil seiner künstlerischen Grundlagenausbildung in besonderer Bild-Text-Form. Er zeigt seine Methode der Bildanalyse am Bauhaus nicht nur anhand deutscher Beispiele wie der Anbetung von Meister Francke, sondern auch am Beispiel eines traditionellen chinesischen Tuschpinsel-Meisters. Bemerkenswert erscheint die Komplexität der Analysen, die inhaltlich und formal mit den Mitteln der Sprache und des Zeichnens in verschiedenen Abstraktionsstufen sowie mit Hilfe von mathematischen Methoden der Geometrie und Algebra erfolgte[5]: Kunst und Wissenschaft im Ausbildungsprozess vereint. Problematisch erscheint dagegen bis heute sein Engagement für die Mazdaznan-Lehre, die sich auf die persische Religion Zaratustras beruft, aber in Wirklichkeit eine Ende des 19. Jahrhunderts in den USA gegründete Sekte ist.[6] Mit dem Weggang Ittens und der weiteren Ausformung des Bauhauses als moderne Gestaltungshochschule unter dem Leitmotiv von Gropius „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ verlor Mazdaznan am Bauhaus an Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit religiösen und weltanschaulichen Fragen bis hin zu modernen philosophischen Strömungen wurde am Bauhaus aber unter anderem mit den Bauhaus-Abenden professionalisiert fortgesetzt.

1920 übernahm Lyonel Feininger die Leitung der druckgrafischen Werkstatt von Walther Klemm als einzige offene Werkstatt des Bauhauses, in der alle Lehrenden und Studierenden ihre druckgrafischen Werke realisieren konnten. Sein wichtigstes internationales Projekt wurde das Mappenwerk „Bauhaus-Drucke. (Abb. 4) Neue Europäische Graphik“, das von 1921 bis 1924 in fünf Folgen 56 Werke von 49 französischen, italienischen, russischen und deutschen Künstlern vereinte. Die Namensliste liest sich wie das „Who is Who“ der europäischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Neben den Bauhausmeistern Feininger, Itten, Kandinsky, Klee, Marcks, Muche, Schlemmer und Schreyer stehen die Franzosen Coubine, Léger, Marcoussis und Survage, die Russen Archipenko, Chagall, Gontscharowa, Jawlensky und Larionow, die Italiener Boccioni, Carrà, Chirico, Prampolini und Severini, die Deutschen Baumeister, Beckmann, Dexel, Grosz, Kirchner, Kokoschka, Macke, Marc, Pechstein, Schmidt-Rottluff und Schwitters. Das Bauhaus knüpfte damit an das europäische Netzwerk an, das Herwarth Walden mit seiner STURM-Galerie in Berlin seit 1912 aufgebaut hatte. So konnten die Bauhaus-Studenten nicht nur europäische Avantgardekunst im Original erleben, sondern diese Drucke sogar selbst herstellen. Neben der Propagierung der modernen zeitgenössischen Kunst diente das Projekt auch mit seinen Einnahmen zur Förderung des Bauhauses selbst.[7]

Mit der großen Bauhaus-Ausstellung 1923 (Abb. 2) wurde Weimar endgültig zum Treffpunkt der internationalen Avantgarde. Die Arbeitsergebnisse des Bauhauses wurden in den Bauhausgebäuden, im Musterhaus Am Horn und den Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar mit Rahmenprogramm im Deutschen Nationaltheater und im Stadttheater Jena vorgestellt. Integriert war darin die weltweit erste internationale Architekturausstellung der Moderne nach dem Ersten Weltkrieg, die im Hauptgebäude des Bauhauses präsentiert und als Bauhausbuch 1 „Internationale Architektur“ (Abb. 5) 1925 von Gropius publiziert wurde. Dabei wurden nicht nur die bedeutendsten Architekturprojekte von Gropius mit der Fagus-Schuhleistenfabrik in Alfeld an der Leine ab 1911, die Musterfabrik auf der Werkbundausstellung in Köln 1914, sondern auch sein Baukasten im Großen und die Planungen für einen neuen Hochschulcampus des Bauhauses in Weimar (Bauhaussiedlung) vorgestellt. Vom künftigen dritten Bauhausdirektor Ludwig Mies van der Rohe wurden Modelle seiner wegweisenden Hochhaus- und Bürogebäude gezeigt, von Le Corbusier erstmals seine Planungen für eine Millionenstadt. Frank Lloyd Wright war als Pionier der amerikanischen Architektur ebenso vertreten wie mehrere Architekten der holländischen Avantgarde mit Vertretern der De Stijl-Gruppe wie Dudok, Oud, Rietveld und Wils, die auch in den Kriegsjahren wichtige Bauten und Ensembles realisieren konnten. Die Tschechoslowakei war mit jungen Architekten aus Prag präsent wie Chochol, Honzik, Krejcar und Linhart, während die sowjetrussische Architekturavantgarde erst im Katalogbuch in Erscheinung treten konnte. Natürlich waren auch weitere deutsche Architekten wie Döcker, Häring, Mendelsohn, Sharoun sowie Bruno und Max Taut an der Ausstellung beteiligt.[8] Das Katalogbuch zur Ausstellung wurde auch in englischer und russischer Sprache herausgegeben.

Die Bauhaus-Ausstellung wurde von zahlreichen Drucksachen medial begleitet. Von Plakaten und der deutschlandweiten Bahnwerbung. Von Einladungs- und Programmkarten reichte das Spektrum bis zu einer Postkartenserie mit zwanzig Motiven die von Lehrenden (8) und Studierenden (12) künstlerisch gestaltet wurden. Dabei stehen die Arbeiten der Studenten denen ihrer Lehrer nicht nach. Die Farblithografien wurden in der Druckwerkstatt des Bauhauses vorbereitet, aber wegen der hohen Auflage von zweitausend Stück in Weimar gedruckt. Diese 40.000 Postkarten wurden weltweit verschickt: wohl eine der ersten Mail-Art-Aktionen der Welt.[9]

Die Bibliothek des Staatlichen Bauhauses ist in großen Teilen erhalten und heute in der Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar zugänglich.[10] Auch in ihren Beständen wird die internationale Ausrichtung des Bauhauses bis heute deutlich. So sind dort nicht nur Standardwerke der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte zu finden, sondern auch ein breites Spektrum zu außereuropäischen Kulturkreisen. Dies reicht von archäologischen Forschungsergebnissen der Jungsteinzeit in Europa über afrikanische und asiatische Plastik bis zur Kunst Polynesiens und der Architektur Persiens, Chinas, Japans oder Indonesiens. Herauszuheben sind die Publikationen des Folkwang Verlags in Hagen mit ihrem Hauptautor Ernst Fuhrmann, der zu den Inka in Peru, präkolumbianischen Hochkulturen in Mexiko, über die Indianer Nordamerikas und die Sakralkulte in Afrika als Vorgeschichte der Hieroglyphen in rascher Folge Bildbände herausgegeben hat. Aber auch die aktuellste Literatur zur internationalen Avantgarde fehlt nicht, die holländische Zeitschrift „Wendingen“ oder Tauts „Frühlicht“ und „Alpine Architektur“, Kahnweilers „Der Weg zum Kubismus“, die Publikationen des Arbeitsrates für Kunst in Berlin bis hin zu den internationalen Pressestimmen für die Erhaltung des Bauhauses 1924.

Das wichtigste Medienprojekt des Bauhauses wurden ab 1924 die „Bauhausbücher“, die von Moholy-Nagy und Gropius konzipiert und herausgegeben sowie von Moholy-Nagy typografisch gestaltet und betreut wurden.[11] Im Prospekt zur Vorankündigung schrieben sie: „Von der Erkenntnis ausgehend, daß alle Gestaltungsgebiete des Lebens miteinander eng verknüpft sind, gibt der Bauhaus-Verlag eine Serie von Büchern heraus, welche sich mit den heutigen Problemen des Lebens beschäftigen. (…) So werden die Bauhausbücher künstlerische, wissenschaftliche und technische Fragen behandeln, unter dem Aspekt ihres gegenseitigen Zusammenhanges. (…) Um eine Aufgabe von diesem Ausmaß bewältigen zu können, hat der Bauhaus-Verlag bestorientierte Fachleute verschiedener Länder (…) zur Mitarbeit aufgefordert.“[12] Bis 1929 wurden immerhin vierzehn Bauhausbücher realisiert. Davon wurden von ausländischen Kollegen folgende Bände bearbeitet und teilweise auch typografisch gestaltet: Piet Mondrian: Neue Gestaltung (Bauhausbuch 5), Theo van Doesburg: Grundbegriffe der Neuen Gestaltenden Kunst (Bauhausbuch 6), J. J. P. Oud: Holländische Architektur (Bauhausbuch 10), Kasimir Malewitsch: Die gegenstandslose Welt (Bauhausbücher 11), Albert Gleizes: Kubismus (Bauhausbuch 13). Nicht erschienen sind aber H. Jacobys: Schöpferische Musikerziehung, Marinettis und Trampolinis: Futurismus, El Lissitzky: Reklame und Typographie, Le Corbusier: Architektur oder Kassáks und Kállais, Die Arbeit der MA-Gruppe. Dagegen gehören einige Bauhausbücher der Bauhauslehrer bis heute zu Standardwerken der Moderne wie Klees Pädagogisches Skizzenbuch (Bauhausbuch 2), Oskar Schlemmers Die Bühne am Bauhaus (Bauhausbuch 4), Moholy-Nagys Malerei, Photographie, Film (Bauhausbuch 8) und Von Material zu Architektur (Bauhausbuch 14) sowie Kandinskys Punkt und Linie zu Fläche (Bauhausbuch 9). Ab 1926 wurden die Bauhausbücher durch das aktuellere Medium der Bauhaus-Zeitschrift mit gleicher Zielsetzung ergänzt.

Auch in den Kunstwerken, Designobjekten und Architekturen des Bauhauses lassen sich die internationalen Einflüsse nachweisen. Hier nur einige ausgewählt Beispiele. So wurde Gropius bei seinem Wohnhaus (Abb. 6) für den Berliner Bauunternehmer Adolf Sommerfeld 1920 von einem Foto des Schatzhauses der Shogune in Nara/Japan inspiriert. Sein Direktorenzimmer am Bauhaus in Weimar gestaltete er dagegen 1923 ganz im Sinne und nach den Prinzipien der De Stijl-Bewegung aus Holland.[13] Marcel Breuer schuf gemeinsam mit Gunta Stölzl 1921 den sogenannten Afrikanischen Stuhl, der an den Thron eines afrikanischen Stammesfürsten erinnert, bevor er zwei Jahre später den Prototyp seines konstruktivistischen Lattenstuhls im Haus Am Horn vorstellte und über seinen berühmten Stahlrohrsessel, den Wassily-Chair, 1926 zur Vision einer Luftsäule zum Sitzen vordringt.[14] Das weiße Quadrat in Feiningers Darstellungen der Dorfkirche von Gelmeroda scheint mit dem schwarzen Quadrat von Malewitsch zu korrespondieren, während Muches Wohnhochhaus mit Etagengärten eng mit den Ideen Le Corbusiers zu begrünten Dachflächen verbunden ist. Masken und Kostüme des Triadischen Balletts von Schlemmer, ausgeführt von den Bauhauswerkstätten, erlauben Bezüge zu afrikanischen oder asiatischen Vergleichsobjekten.

Abschließend sollen die Bauhaus-Abende (Abb. 7) erwähnt werden, die als fakultative Veranstaltungen bereits im Frühjahr 1919 von Studierenden eingeführt und selbst gehalten wurden. Das Themenspektrum reichte von altägyptischer Geschichte über Giottos Fresken und Rembrandts Handzeichnungen bis zu Rodins Kathedralgemälden und neuzeitlicher Literatur.[15] Damit wurde ein Format ins Leben gerufen, das den geistigen Kosmos des Bauhauses entscheidend prägte und ab 1924 durch den Kreis der Freunde des Bauhauses professionalisiert wurde. Die öffentlichen Veranstaltungen des Bauhauses begannen am 12. Juni 1919 mit einem Klavierkonzert von Ernst Latzko. Die bunte Folge von fast fünfzig musikalischen Veranstaltungen und Vorträgen in Weimar hatten immer wieder auch internationale Elemente wie Else Lasker-Schülers Lesung aus ihren „Hebräischen Balladen“, das Klavierkonzert Eduard Steuermanns mit Werken von Arnold Schönberg, Maurice Ravel, Erik Satie und Claude Debussy oder die Lesung Hermann Rankes aus dem Gilgamesch-Epos. 1921 hielt Inayat Khan einen Vortrag über „The Nature of Art“, Heinrich Vogeler über „Die religiöse Bewegung der Revolution“, Otto Rauth zur Mazdaznan-Lehre und im Frühjahr 1922 Enrique Colás über „Funktionalismus in Antoni Gaudis Werk“. Der Vortrag „Neues Bauen in Holland“ von Jacobus Johannes Pieter Oud fand am 17. August 1923 zum Auftakt der Festwoche zur Eröffnung der Bauhaus-Ausstellung statt und einen Tag später das Konzert mit Werken von Paul Hindemith und Ferrucio Busoni in Anwesenheit der Komponisten im Deutschen Nationaltheater. Am 19. August folgte eine Matinee mit Kompositionen der anwesenden Igor Strawinsky und Ernst Krenek.[16]

Für das Bauhaus in Dessau ist das Programm von 1927 bis zur Schließung im Juni 1932 mit etwa 120 Veranstaltungen überliefert. So sprach Erich Mendelsohn über „Rußland und Amerika – ein architektonischer Querschnitt“, Gropius über „Amerika“, El Lissitzky über „Architektur und Werkarbeit“, Paul Forgo-Fröhlich (Budapest) über „Neues Bauen in Ungarn“, Dsiga Werthoff (Moskau) über „Kino-Auge. Methode und Technik des russischen Films“, Herbert Feigl (Wien) über „Die wissenschaftliche Weltanschauung“ und „Naturgesetz und Willensfreiheit“, Rudolf Carnap (Wien) über „Wissenschaft und Leben“ und „Die vierdimensionale Welt der modernen Physik“ sowie Otto Neurath (Wien) zu „Geschichte und Wirtschaft“. Karel Teige (Prag) hielt Gastkurse über zeitgenössisches Schrifttum und neue Typografie sowie zur Soziologie der Stadt und des Wohnens, Paul Artaria (Basel) zur Finanzierung und praktischen Durchführung moderner Bauvorhaben und Piet Zwart (Rotterdam) zur modernen Typografie. Bei den musikalischen Abenden ragten sicherlich ein Konzert mit Bela Bartok und eine Tanzvorführung mit Gret Palucca heraus.[17]

So erweist sich das Bauhaus in Weimar als Schmelztiegel für die vielgestaltigen Ideen und Konzepte der europäischen Avantgarden und wird damit zugleich einer der wichtigsten Anreger und Kommunikationspunkte im Netzwerk der Moderne.

 

 

Footnotes

 

  1. ^ Vgl. Folke Dietzsch: Die Studierenden am Bauhaus, Dissertation Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, Weimar 1990, Bd. 2.
  2. ^ Vgl. Michael Siebenbrodt (Hrsg.): Bauhaus Weimar. Entwürfe für die Zukunft, Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2000.
  3. ^ Vgl. Constanze Hofstaetter & Michael Siebenbrodt (Hrsg.): Karl Peter Röhl in Weimar 1912–1926, Klassik Stiftung Weimar, Weimar 1997; Rolf Bothe, Peter Hahn & Christoph von Tavel (Hrsg.): Das frühe Bauhaus und Johannes Itten, Hatje Cantz, Ostfildern, S. 59–70.
  4. ^ Hofstaetter & Siebenbrodt: Das frühe Bauhaus, 1997 S. 64–65.
  5. ^ Siebenbrodt: Bauhaus Weimar, 2000, S. 239–241.
  6. ^ Vgl. Otoman Zar-Adusht Hanish: Mazdaznan-Reform-Kochbuch und Nahrungsmittellehre, Humala-Verlag, Leipzig um 1917; Ulrich Linse: „Der spurenlose Mazdaznan-Vortrag von Otto Rauth“, in: Peter Bernhard (Hrsg.): Bauhausvorträge. Gastredner am Weimarer Bauhaus 1919–1925, Gebr. Mann Verlag, Berlin 2017, S. 217–232; Pádraic E. Moore: "A Mystic Milieu. Johannes Itten and Mazdaznan at Bauhaus Weimar", publiziert in diesem Online Journal.
  7. ^ Vgl. Klaus Weber (Hrsg.): Punkt, Linie, Fläche. Druckgraphik am Bauhaus, Bauhaus-Archiv Berlin, Berlin 1999, S. 35–79.
  8. ^ Vgl. Walter Gropius (Hrsg.): Internationale Architektur (Bauhausbuch 1), Gebr. Mann Verlag, München 1925.
  9. ^ Weber: Punkt, Linie, Fläche, 1999, S. 266–277.
  10. ^ Vgl. Michael Siebenbrodt & Frank Simon-Ritz (Hrsg.): Die Bauhaus-Bibliothek. Versuch einer Rekonstruktion, Verlag der Bauhaus-Universiät Weimar, Weimar 2009.
  11. ^ Vgl. Ute Brüning (Hrsg.): Das A und O des Bauhauses, Peter Lang Verlag, Leipzig 1995, S. 114–139.
  12. ^ Ebd., S. 116.
  13. ^ Siebenbrodt: Bauhaus Weimar, 2000, Haus Sommerfeld: S. 23–27; Direktorenzimmer: S. 42–43.
  14. ^ Vgl. Alexander von Vegesack (Hrsg.): Marcel Breuer. Design und Architektur, Vitra Design Museum, Weil am Rhein 2003.
  15. ^ Siebenbrodt & Simon-Ritz: Die Bauhaus-Bibliothek, 2009, S. 326.
  16. ^ Vgl. Peter Bernhard (Hrsg.): Bauhaus Vorträge. Gastredner am Weimarer Bauhaus 1919–1925, Gebr. Mann Verlag, Berlin 2017.
  17. ^ Dietzsch: Die Studierenden am Bauhaus; 1990, S. 330–334.

Karl Peter Röhl, Bauhaus signet „Sternenmännchen“, 1919.

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