„Der Name Bauhaus ist zu einer Marke geworden“

bauhaus imaginista

bauhaus imaginista in China: Zoe Zhang ist eine der Kuratorinnen der chinesischen Sektion von bauhaus imaginista. Sie beschäftigt sich mit der Rezeption und Akzeptanz des Bauhauses in China.

Das Bauhaus suchte schon früh den Kontakt zu Designschulen und Vordenkern außerhalb Europas. Welche Spuren hat das Bauhaus in China hinterlassen?

Zoe Zhang: Das Bauhaus hat ein kulturelles Erbe in China hinterlassen. In den Fünfzigerjahren kamen zwei Bauhäusler nach China. Aber großen Eindruck haben sie in dieser Zeit nicht auf das chinesische moderne Design gemacht. Vielmehr waren es die soziale Idee und die pädagogischen Methoden, die ihre Spuren hinterlassen haben. In den Vierzigern beispielsweise wanden den Bauhaus Vorkurs Huang Zuoshen im Architektur Department der St. John’s University und Liang Sicheng in der Tsinghua University an. Das pädagogische Experiment wurde dann in den Achtzigerjahren gestoppt. Man führte die pädagogische Methode des Bauhauses in Hongkong, Japan, Taiwan und auf dem chinesischen Festland in Form der „Drei Kompositionen“ (Grafik, Farbe, Dreidimensionalität) wieder ein, sie ist immer noch das fundamentale Lehrmodel für Design in den meisten chinesischen Universitäten.

Mit dem Bauhaus wurde es möglich, aus traditionellem Handwerk in Kombination mit Produktdesign einen neuen Markt zu etablieren. Wie vertragen sich diese zwei Ansätze heute in China? Gibt es Ansätze, chinesische Handwerkskunst und Produktdesign im Sinne des Bauhauses zu verbinden?

In China haben die beiden Ansätze immer miteinander gekämpft. Die sogenannte Harmonie kann als eine Art dynamische Balance zwischen der industriellen Produktion dem traditionellen Handwerk in China. In den frühen Zwanzigern versuchten chinesische Künstler und Designer, traditionelle Kunst und Handwerk mit dem westlichen modernen Konzept von Design zu kombinieren. Es war eine Kombination von verschiedenen Philosophien hinter der Kunst und dem Design. So zum Beispiel Zhang Guangyu, der 1932 in seinem Buch die Architektur und die Möbel der Bauhäusler vorstellte. Er präsentierte in diesem Buch auch sein eigenes Interior Design mit modernen Geometrien. Darüber hinaus gibt es sein späteres bekanntes Design, das von traditionell chinesischem Papierschneide-Handwerk, traditioneller Kalligraphie und modernem Design inspiriert ist. Er entwickelte seine eigene Designphilosophie.

Der Einführung des „Drei Kompositionen“-Models im chinesischen Designunterricht in den Achtzigerjahren entsprang eine Debatte – oder sogar ein Kampf – zwischen traditionellen Verteidigern und modernen Experimentierern. Das Ergebnis war ein Kompromiss zwischen dem traditionellen Unterrichtsmuster und einem von den Japanern übersetzten Bauhaus-Modell. Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung und der internationalen Kommunikation suchen zeitgenössische Lehrer in China nach mehr Möglichkeiten, nach dem „Drei Kompositionen“-Model zu unterrichten.

Der Titel des Kapitels von bauhaus imaginista, in dem auch die Ausstellung im China Design Museum verortet ist, lautet „Moving away“ – wie lässt sich dieses „Weggehen“ räumlich darstellen?

Ich denke, die Sektion „Moving Away“ spiegelt sich in den anderen bauhaus imaginista-Sektionen „Correspondence“, „Learning from“ und „Still Undead“ wider. Der Titel „Moving Away“ weist auf die globale Auswanderung der Bauhausideen hin sowie auf den komplexen Prozess aus Transformation und Missverständnissen bezüglich des ursprünglichen Ethos des Bauhauses. Die von Bauhäuslern gestalteten Produkte wurden ohne den Namen Bauhaus nach China importiert.

Auf der anderen Seite wurde das Unterrichtsmodell des Bauhauses gleich auf zwei Wegen in China eingeführt:  durch Walter Gropius’ Studenten aus Harvard und durch japanische Lehrer und Gestalter aus Hongkong. Von besonderem Interesse ist der Umstand, dass einige vom Bauhaus beeinflusste Designer, die in den Sechzigern geboren wurden, in den Achtzigern ins Ursprungsland des Bauhauses reisten: Dort fanden sie heraus, dass die Bauhausidee, die sie in ihren Unterrichtsbüchern gelernt hatten, sich stark vom originalen Bauhauskonzept unterschieden. Was sie gelernt hatten, war im Grund eine Art „neuerfundenes Bauhaus“. Die Fakten der sich verbreitenden Bauhausgeschichte sind also miteinander verknüpft. Das ist auch der Grund dafür, warum die Kuratoren von „Moving Away“ alle Sektionen und Strukturen miteinander verknüpft haben.

Das China Design Museum eröffnet neben anderen Ausstellungen auch mit dem Ausstellungsprojekt von bauhaus imaginista offiziell seine Pforten – welche Art von Publikum erwarten Sie?

Um ehrlich zu sein, besitzt ein Großteil der chinesischen Öffentlichkeit kein ausgeprägtes Gespür für modernes oder westliches Design. Darum haben wir eine Dauerausstellung zusammengestellt, um die Geschichte moderner Gestaltung anschaulich zu erzählen. Wir präsentieren die Bauhäusler als außergewöhnlich experimentierfreudige Gestalter zwischen anderen Pionieren des modernen Designs weltweit. Die bauhaus imaginista-Ausstellung konzentriert sich auf das Bauhaus und dessen Ausbreitung und Neuerfindung in anderen Ländern. Anhand zahlreicher Dokumente und Filmmaterialien wird die Komplexität dieser verknüpften Geschichte vorgestellt. Viele Kenner sind beeindruckt von der Ausstellung und ihren Erzählungen. Dies habe ich mir von Beginn an erhofft.

Und was erwarten die Besucher im China Design Museum?

Im Vorfeld der Eröffnung des China Design Museums führten meine Kollegen eine Umfrage zu unseren geplanten Ausstellungen durch. Einige Besucher würden gerne mehr internationale zeitgenössische Kunst sehen. Das Fachpublikum wünscht sich hingegen Ausstellungen, die auf wissenschaftlicher Forschungsarbeit basiert. Mehrere Professoren schlugen eine Ausstellung vor, die sich mit chinesischem Design beschäftigt. Zahlreiche chinesische Besucher wünschen sich außerdem eine Ausstellung mit Werken aus der ganzen Designhistorie. Wie Sie wissen, ist dies das erste Museum in China, das über eine eigene Sammlung und ein eigenes Kuratoren-Team verfügt. Dadurch hat es so viele Möglichkeiten, aber auch Pflichten.

Die Sammlung von Torsten Bröhan, die sich schon seit dem Herbst 2012 im Besitz der China Academy of Art befinde, bildet heute den Grundstock des China Design Museums. Die als Bauhaus-Sammlung deklarierte Sammlung enthielt bei ihrem Verkauf auch Objekte, die explizit nicht aus der Designschule stammt – haben Sie inzwischen eine neue Katalogisierung und Aufbereitung der Sammlung vorgenommen?

Ihre Frage bezüglich der Sammlung ist ein weiteres Beispiel für das schiefe Bild des Bauhauses in der medialen Öffentlichkeit. Besucher der Dauerausstellung „Life World: the Collection of Western Modern Design” im China Design Museum werden über 700 Designstücke von über 130 Gestaltern aus unterschiedlichen Ländern sehen, die eine Zeitspanne von 150 Jahren Designgeschichte abdecken. Es geht nicht nur um das Bauhaus, sondern auch um weitere Meisterwerke. Die meisten Ausstellungsstücke des Dauerausstellung stammen aus der Bröhan Sammlung. Der Name „Bauhaus“ hat sich zu einer Marke entwickelt, die von den Medien und der Kulturbranche in einer von Sensationslust gekennzeichneten Gesellschaft geprägt wurde. Kritisch betrachtet, hat das Bauhaus nicht nur „Aufklärung“, sondern auch einen „Mythos“ erschaffen. Der Bauhaus-Mythos illustriert zudem einige allgemeine Vorurteile der Öffentlichkeit gegenüber der modernen Designgeschichte. Vielen Besuchern ist das Bauhaus nur aus ihrem Wissen über moderne Gestaltung bekannt, darum haben wir die Ausstellung „bauhaus imaginista: Moving Away“ organisiert, um das Bauhaus aus einer relativ objektiven Perspektive zu diskutieren.

Vielen Dank, Frau Zhang!

[CG 2018; Übersetzung FP]

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