Und diese Schule, sie wirkt nach!
Weitere Stimmen aus Kultur und Politik zu 100 jahre bauhaus
Hat das Bauhaus eine Lichtspur hinterlassen, wie es vor 100 Jahren im Vorkurs an der Universität in Weimar gefordert wurde? Wir haben acht Freunde, Kritiker, Verantwortliche und Teilnehmer des Bauhausjubiläums um ein kleines Fazit gebeten.
Monika Grütters (CDU)
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Das Bauhaus-Jubiläumsjahr hat gezeigt, dass auch 100 Jahre nach seiner Gründung viele Ideen des Bauhauses modern geblieben sind und bis heute Künstlergenerationen inspirieren. Das Motto „Die Welt neu denken“ zog sich wie ein roter Faden durch die facettenreichen Veranstaltungen, Ausstellungen und Projekte im Jubiläumsjahr. Einer der Höhepunkte ist die „Grand Tour der Moderne“, die deutschlandweit auf attraktive Reiserouten zu 100 kulturhistorisch bedeutenden Bauten führt und für die ich gerne die Schirmherrschaft übernommen habe. Dass so viele, vor allem junge Menschen, von dem internationalen Projekt „bauhaus imaginista“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin begeistert waren, zeigt einmal mehr die zeitlose Faszination der Bauhaus-Bewegung.
Das Bauhaus-Jubiläum hat Spuren hinterlassen – auch bei vielen Menschen, die sich vielleicht zum ersten Mal mit dieser wirkmächtigen Schule auseinandergesetzt haben. Ein sichtbares Zeichen ist die Eröffnung zweier neuer Bauhaus-Museen in Dessau und Weimar durch Mittel des Bundes gemeinsam mit den jeweiligen Ländern – das Gebäude in Berlin wird folgen. Auch breit gefächerte Vermittlungsprogramme, die auf Projekten der „Bauhaus-Agenten“ aufbauen können, zählen zu den nachhaltigen Wirkungen des Jubiläumsjahres. Es freut mich ganz besonders, dass die intensive Auseinandersetzung mit dem Bauhaus auch zu einer Neubewertung der Rolle der Frauen dort geführt hat, die in der bisherigen Bauhaus-Geschichtsschreibung sehr stiefmütterlich behandelt worden waren.
Ich danke allen herzlich, die mit Ideenreichtum, großem Engagement und Beharrlichkeit zum Erfolg dieses Jubiläums beigetragen haben.
Antje Horn
Projektleiterin Grand Tour der Moderne
Bereits in der Renaissance war die Grand Tour ein großes touristisches Bildungserlebnis. Man besuchte Stätten der Kunst, besichtigte Bau- und Kulturdenkmäler, erkundete Landschaften und lernte Land und Leute besser kennen. Im Rahmen des 100-jährigen Bauhausjubiläums haben wir dieses Erlebnis als Grand Tour der Moderne neu gedacht. Unsere Grand Tour nimmt Orte in den Blick, die im Spannungsfeld von Moderne und Bauhaus stehen. Grundgedanke ist, herausragende architektonische Zeugnisse in den Kontext der deutschen Architekturmoderne des 20. Jahrhunderts einzubinden.
Die in der Grand Tour der Moderne zusammengestellten Bauten sind nicht nur in Großstädten und nicht nur an den Orten zu finden, an denen das Bauhaus unmittelbar angesiedelt war. Nein, die Liste reicht von Hamburg bis Stuttgart, von Niesky bis Kindenheim, von Krefeld bis Cottbus. Nutzen Sie unsere Webseite grandtourdermoderne.de auch über das Jubiläumsjahr 2019 hinaus, um mehr über die Orte und ihre Geschichte zu erfahren. Stellen Sie sich ihre eigene Grand Tour der Moderne zusammen und machen Sie sich auf den Weg. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Entdecken von bereits bekannten, aber auch unbekannten Pfaden.
Zitat Roth
Klaus Lederer (Die Linke)
Bürgermeister und Kultur- und Europasenator des Landes Berlin
Dass das Jubiläumsjahr ein Erfolg wird, war klar und angesichts der Arbeit, der Leidenschaft und Energie, die alle Beteiligten eingebracht haben, auch sehr wünschenswert. Wie groß der Erfolg war, hat mich dann doch noch einmal positiv überrascht. Das spricht für die Unvergänglichkeit der Idee der Verschmelzung von Kunst und Technik, für den Anspruch, das Leben möglichst vieler besser und schöner zu machen und natürlich für die Strahlkraft des Designs.
Es war ein Jubiläumsjahr, in dem wir alle gemeinsam dem Bauhaus auf so vielen Ebenen und all seinen Facetten gerecht wurden: Von der politischen Relevanz für die heutige Zeit über viele, viele Mitmachangebote und großartige Ausstellungen.
Marion von Osten
Kuratorin bauhaus imaginista
Das Projekt bauhaus imaginista war seit 2018 international aktiv mit Ausstellungen und Veranstaltungen in Rabat, Hangzhou, New York, Kyoto, Tokio, Moskau, Sao Paulo, Lagos, New Dehli, Berlin, Bern und Nottingham. 2020 eröffnet es nun seine letzte Station mit dem SALT in Istanbul. Das kontinuierliche und internationale Interesse an diesem Projekt, spricht für die guten internationalen Partnerschaften, aber auch für die Notwendigkeit, die Bauhaus-Moderne heute global zu verorten.
Bereits jetzt lässt sich durch die Rückmeldungen aus den unterschiedlichen Stationen und auf das Online Journal bauhaus-imaginista.org sagen, dass bauhaus imaginista im Jubiläumsjahr einen paradigmatischen Startpunkt darstellte, um auf eine andere Weise auf das Bauhaus und seine weltweiten Resonanzen zu schauen.
Zitat Wagner-Bergelt
Rainer Robra (CDU)
Staatsminister und Chef der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt, Kultur- und Europaminister
Das Bauhaus-Jubiläum war Forum und Motor zugleich für wichtige künstlerische und gesellschaftliche Debatten. Mit Ideen, Kreativität und großer Freude wurde das herausragende Wirken von Gropius, Kandinsky, Feininger und weiteren Vordenkern gewürdigt. Ich freue mich sehr, dass so viele verschiedene Akteure zum Gelingen der Feierlichkeiten beigetragen haben.
Durch die vielen Kooperationen haben sich weltweit neue, stabile Netzwerke entwickelt, die auch über das Jubiläumsjahr hinaus weiter bestehen bleiben. Mit 2019 ist das Bauhauserbe nicht abgeschlossen, sondern das Jubiläum ist Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten. Das Bauhaus bleibt lebendig, seine Geschichten sind noch lange nicht auserzählt. Und die Frage, wie auch zukünftig modern gedacht wird, bleibt immer aktuell.
Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen)
Vizepräsidentin Deutscher Bundestag
Die Feierlichkeiten zu 100 Jahren Bauhaus begannen im Deutschen Bundestag deutlich verfrüht, 2015 nämlich, als wir beschlossen, Sonderhaushaltsmittel für das Jubiläum bereitzustellen. Damit wurde nicht nur die Erweiterung der Bauhausmuseen in Dessau und Weimar mit auf den Weg gebracht, sondern im Jubiläumsjahr mit zahlreichen Veranstaltungen und Ausstellungen eines untermalt: Die Bauhaus-Idee umfasst weit mehr als Architektur und Design – sie ist auch Demokratiegeschichte.
Dass von den insgesamt über tausend Bauhaus-Studierenden rund 450 Frauen waren, war jedenfalls lange kaum sichtbar. Und wie wir heute wissen, stehen einige von ihnen für die ökonomisch erfolgreichsten Entwicklungen überhaupt. Nennen wir sie also beim Namen: Gunta Stölzl und Anni Albers, Benita Otte und Otti Berger, Alma Siedhoff-Buscher und Friedl Dicker, Marguerite Friedlaender-Wildenhain und Marianne Brandt. Auch sie waren, auch sie sind Bauhaus – in einer Reihe mit Walter Gropius und László Moholy-Nagy, mit Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe.
Völlig neue Arbeitsweisen und ein Ende der Trennung von Kunst und Handwerk, von Theorie und Praxis; die Verbindung der verschiedenen Gewerke zu einer Einheit und der Mut, völlig neu zu denken: Bauhaus war bahnbrechend, auf den unterschiedlichsten Ebenen. Ein Studium, das mit Tanz und Theater, Lesungen und Vorträgen, Musik und Kostümfesten eine kreative Gemeinschaft erschuf – eine Gemeinschaft, die Diversität und Experimentierfreude in den Mittelpunkt stellte, die das hierarchische Denken hinter sich zu lassen versuchte – all das war neu und anders. Zu anders für die NS-Diktatur, die in Deutschland bald schon Raum zu greifen begann. Und so wurde Bauhaus bereits 1933, nur 14 Jahre nach seiner Gründung, zur Selbstauflösung gezwungen. Die Idee der Freiheit von Kunst endete mit der Machtergreifung der Nazis. Vorerst. Bauhaus nämlich überlebte in den Köpfen, im Exil.
Und diese Schule, sie wirkt nach, bis heute. 100 Jahre Bauhaus nämlich, das ist weit mehr als der Blick zurück. Kultur als gesellschaftliches Projekt, das lässt sich auch heute noch neu denken. Bauhaus bleibt damit Vision, Inspiration, Diskurs in einer Welt von Klimakrise und Konflikten, einer Welt voller Demokratieverächter und Rechtsstaatsfeinden – in einer immer komplexeren Welt, die in der schnörkellosen und reduzierten, in der eleganten und nachhaltigen Bauhaus-Funktionalität einen perspektivischen Kontrapunkt findet.
Nicht zuletzt die begeisterten Besucherinnen und Besucher der unzähligen Ausstellungen und Veranstaltungen im Jubiläumsjahr haben gezeigt: Das Interesse an Bauhaus ist auch einhundert Jahre nach Gründung ungemindert. Mein vorläufiges Fazit? Offenbar lohnt es sich, voranzugehen und neu zu denken. Wie beruhigend, Bauhaus, wie ermutigend!
Zitat Grütters
Jan Tichy
Künstler, Pädagoge und Kurator „Ascendants: the Bauhaus Handprints“
Das Bauhaus-Jubiläum hat einen wichtigen Rahmen geschaffen, um Teile unserer eigenen Geschichte auf globaler Ebene neu zu untersuchen. Diese Erfahrung der globalen Anerkennung und Reflexion war zuweilen überwältigend, aber entscheidend für ein tieferes Verständnis und eine ehrlichere Beziehung zum Bauhaus-Erbe.
Ich habe das Jubiläumsjahr genutzt, um mein Projekt „Ascendants: the Bauhaus Handprints“ voranzubringen, das auf einer Reihe von Handabdrücken basiert, die von dreizehn Bauhaus-Lehrern und -Studenten im Mai 1926 in Dessau erstellt und von László Moholy-Nagy gesammelt wurden. In enger Zusammenarbeit mit der Moholy-Nagy-Stiftung konnte ich die historischen Artefakte nicht nur reproduzieren, sondern sie gemeinsam mit drei Gruppen von Studierenden aus drei Kunstschulen in Chicago (USA), Modena (Italien) und Hradec Kralove (Tschechien) zu neuen Material weiterentwickeln.
Dieser Prozess mündete in vier Ausstellungen in Deutschland und Chicago und wurde von einer Publikation begleitet, die ich gemeinsam mit Dr. Robin Schuldenfrei über das Institute of Design in Chicago veröffentlichen konnte. Wir hoffen, dass dieses Buch zu den vielen wichtigen Dokumenten aus 100 jahre bauhaus gehört, die einem breiteren Verständnis des Bauhauses und seiner heutigen Relevanz beitragen.
Bettina Wagner-Bergelt
Künstlerische Leiterin des Eröffnungsfestivals 100 jahre bauhaus und Intendantin des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
Die Auseinandersetzung mit der Kunst des Bauhauses hat mich einmal mehr inspiriert, die Fragen, die Forschung, das Experimentelle, Unfertige, den Prozess zuzulassen, und weniger auf die perfekten Ergebnisse zu sehen. Das machte den Charme der Bauhausbühne und seiner KünstlerInnen aus, der Musik, des Tanzes. Auch das Lebensgefühl, das uns gerade von der Rechten genommen werden soll: Offenheit, Neugier, Wagnisse ohne Angst, auch Provokationen, um zum Eigentlichen vorzudringen, statt kleinkariert Nationales, die Enge des Geistes, das Dumpfe, Brutale, Gemeine.
[NF 2020]