Völkerbundpalast, Genf

Hannes Meyer und Hans Wittwer, 1927

Hannes Meyer und Hans Wittwer orientierten sich mit ihrem Entwurf für den Völkerbundpalast an Wesen und Zielsetzung des 1920 gegründeten Völkerbundes. Für diesen war die Schaffung von Öffentlichkeit und Transparenz bei der Lösung internationaler Probleme sowie die Bewahrung des Friedens von zentraler Bedeutung.

Bauhaus-Archiv Berlin / Stiftung Bauhaus Dessau (Meyer) / Hans-Jakob Wittwer (Wittwer)
Originalpläne des Wettbewerbsentwurfs "Völkerbundpalast", Genf. Axonometrie, Entwurf: Hannes Meyer / Hans Wittwer, 1927.

Text

Der internationale Wettbewerb für den Völkerbundpalast in Genf war nach den Jahren der Krise im Bauen, die auf den Ersten Weltkrieg folgten und bis Mitte der Zwanziger Jahre anhielten, der erste große Architekturwettbewerb seit dem Chicago Tribune Tower-Wettbewerb im Jahr 1922. Entsprechend hoch war die Beteiligung unter den Architekten. Mehr als 400 Arbeiten wurden bis zum 25. Januar 1927 eingereicht; 377 davon ließ die Jury für das Verfahren zu. Die Wettbewerbsbeiträge spiegelten das gesamte Spektrum der damaligen Architekturproduktion – und damit die konträren Positionen einer traditionellen Architekturauffassung, wie sie an den Akademien gelehrt wurde und den radikal modernen Visionen der Avantgarde.

Der Völkerbund war 1919 von den Siegermächten als erstes überstaatliches Weltparlament gegründet worden und hatte die Sicherung des Friedens sowie die Zusammenarbeit der Völker zur Aufgabe. 1920 nahm der Völkerbund in Genf seine Arbeit auf. 1926 wurde ein internationaler Architekturwettbewerb für einen Neubau mit Plenarsaal, Konferenzräumen und Sekretariat ausgelobt. Ein derartiges Parlamentsgebäude, das nicht einen einzelnen Staat, sondern eine internationale Staatengemeinschaft und verschiedenste Kulturkreise repräsentieren sollte, war eine gänzlich neue Bauaufgabe, für die ein neuer architektonischer Ausdruck gefunden werden müsse – so die Hoffnung und Vision der architektonischen Avantgarde.

Entsprechend schwer tat sich die eher konservativ gesinnte Fachjury mit der Auswahl eines Siegerentwurfes, den sie zur Ausführung vorschlagen sollte. Nach sechs Wochen Beratungszeit nominierten die Juroren insgesamt 18 Projekte, darunter wurden neun erste Preise vergeben – einer davon an Le Corbusier. Der Wettbewerbsbeitrag von Hannes Meyer und Hans Wittwer wurde mit einem dritten Preis bedacht. Die offene Entscheidung der Jury stieß in Fachkreisen auf heftigste Kritik und entfachte eine öffentliche Debatte um den Wettbewerb. Eine neu berufene Jury aus Diplomaten wählte aus den neun Preisträgern schließlich einen neoklassizistischen Entwurf, der an eine mehrflügelige Schlossanlage erinnert.


[NO 2018]

  1. Literatur:
  2. Schwarz, Katrin (2016): Bauen für die Weltgemeinschaft. Die CIAM und das UNESCO-Gebäude in Paris, Berlin.
  3. Steinmann, Martin (1978): Der Völkerbundpalast : eine "chronique scandaleuse, in: Werk – Archithese : Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur und Kunst, Zürich.
  4. Giedion, Sigfried (2015): Raum, Zeit, Architektur, Basel. S. 334 ff.
  5. Meyer, Hannes und Wittwer, Hans (1927): ein völkerbundgebäude für genf, in: bauhaus 4, S. 6
  6. Winkler, Klaus-Jürgen (1989): Der Architekt Hannes Meyer. Anschauungen und Werk, publ. by Sektion Architektur, Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, Berlin.
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