Bundesschule des ADGB, Bernau

Hannes Meyer, Hans Wittwer und die Bauabteilung Bauhaus Dessau, 1928-1930

Die von Hannes Meyer, Hans Wittwer und der Bauabteilung Bauhaus Dessau geplante Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Bernau gilt bis heute als paradigmatisches Beispiel einer funktionalen Architektur. Die gesamte innere Ausgestaltung wurde von den Bauhaus-Werkstätten Dessau übernommen.

Stiftung Bauhaus Dessau (I 1691/1 F)
Bundesschule des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) Bernau bei Berlin, Architektur: Hannes Meyer / Entwurf: Hans Wittwer und Bauabteilung Bauhaus Dessau / Foto: Junkers Luftbild, 1930.

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1927 beabsichtigte der ADGB, für die Aus- und Weiterbildung seiner Mitglieder in verschiedenen Gegenden Deutschlands Bundes- und Gewerkschaftsschulen einzurichten. Die Bundesschule in Bernau war die erste dieser Schulen. Hier sollten in vierwöchigen Schulungen 120 Arbeiterinnen und Arbeiter jeden Alters in „fragen der sozialpolitik, des arbeitsrechts, der betriebshygiene“ ausgebildet werden. Zugleich wollte man ihnen „die Ziele und Methoden moderner Wohnkultur“ nahebringen, wie der Architekturkritiker Adolf Behne schreibt.

Für die neue Bauaufgabe einer Schule in der freien Natur mit Internat hatte der ADGB daher sechs Vertreter des Neuen Bauens zu einem Wettbewerb geladen. Neben Hannes Meyer, zu dieser Zeit Direktor des Bauhauses in Dessau, nahmen auch Erich Mendelsohn, Architekt des Einsteinturms in Potsdam, sowie Max Taut, Architekt des Verbandshauses der Deutschen Buchdrucker in Berlin, teil. Die Wahl der Jury fiel mehrheitlich auf den Entwurf von Meyer/ Wittwer, der sich in seiner baulichen Umsetzung des sozial-pädagogischen Konzepts und seiner harmonisch, aufgelockerten Komposition der Baukörper in der Landschaft klar von den übrigen Entwürfen absetzte: Anstatt das Raumprogramm in einem kompakten Baukomplex zu organisieren, ergab sich in diesem Entwurf die Form der Schule aus der Organisation des Schul- und Gemeinschaftslebens. „das prinzip der auflösung der großen gemeinschaft (120) in kleine kreise (12x10) ist die grundlage dieses entwurfs“, schreibt Meyer in seiner Erläuterung zum Schulprojekt.

Eine Gruppe von je 10 Schülern bildet einen Lebens- und Arbeitskreis, der als Wohngemeinschaft die fünf Doppelzimmer einer Etage der Wohnflügel bewohnt und „auch beim Studium, beim Sport, beim Spiel und als Tischgesellschaft“ eine Gruppe bleibt. Dieses Prinzip liegt der gesamten Planung und systematischen Organisation der Unterrichts- und Wohnräume der Schule zugrunde. Die gemeinschaftlich genutzten Räume wie die Aula und der Speisesaal mit Glasveranda und freiem Blick auf die Natur sind in einem Kopfbau untergebracht. Von dort treppen sich fünf Wohnflügel den Hang hinab, hin zu einem Baukörper mit der Bibliothek, dem Sportsaal und drei darüberliegenden Unterrichtsräumen. Die Z-förmig angeordneten Einzelbaukörper sind über einen langen Glaskorridor miteinander verbunden. 

Während ihres vierwöchigen Aufenthaltes sollten die 120 Arbeiterinnen und Arbeiter auch die Annehmlichkeiten des modernen Wohnens kennenlernen. Dazu gehörten beispielsweise eine moderne Ölheizung, Waschtische auf den Zimmern und die moderne Einrichtung, die aus den Bauhaus-Werkstätten Dessau stammte – aber auch die ungewöhnlich großen Fenster in den Doppelzimmern mit Blick auf einen kleinen See und die Natur. Zudem gehörten zur Schule großzügige Bäder-, Sport- und Spielanlagen für die Erholung und gesunde Lebensführung.

Am 29. Juli 1928 wurde in Bernau mit einem großen Festakt der Grundstein für die Bundesschule des ADGB gelegt. Knapp zwei Jahre später, am 4. Mai 1930 wurde die Schule eingeweiht. In den folgenden drei Jahren besuchten mehr als 4.000 Gewerkschafter die Kurse, bevor 1933 die Gewerkschaften verboten und die Schule von den Nationalsozialisten übernommen wurde.

Die ausführliche Geschichte der Bundesschule – von der Entstehung, über die Zeit des Nationalsozialismus, der DDR und der baulichen Erweiterung der Schule in den 1950er Jahren bis hin zur denkmalgerechten Wiederherstellung und schließlich Ernennung zum UNESCO-Welterbe im Jahr 2017 – ist auf der Seite des Vereins „baudenkmal bundesschule bernau e.V.“ nachzulesen.

[NO 2018]

  1. Literatur:
  2. Steininger, Peter und Thoms, Günter (2013): Die ADGB-Bundesschule Bernau bei Berlin, Leipzig.
  3. Behne, Adolf (1928): die bundesschule des ADGB in bernau bei berlin, in: bauhaus 2/3, S. 12
  4. Meyer, Hannes (1928): erläuterungen zum schulprojekt. grundsätze der gestaltung, in: Ebd. S. 13–16
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