Vorgeschichte
bis 1919
Reformpädagogische Ansätze und die Kunstgewerbe-Bewegung der Vorkriegszeit bestimmten maßgeblich die Vorgeschichte des Bauhauses.
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Das Bauhaus verstand sich seit seiner Gründung als Teil und Mittler der Bewegung der Moderne. Selbst aus der Migration von Künstlern und Ideen entstanden, entwickelte es sich in ständiger Wechselwirkung mit verschiedenen Gruppen von Architekten, Stadtplanern, Künstlern, Wissenschaftlern und Gestaltern. Konstituierende Ideen des Bauhauses stammen aus der Kunstgewerbebewegung der Vorkriegszeit. Dies betrifft vor allem die Reformpädagogik und die Vorstellung eines alle Künste vereinenden Gesamtkunstwerks sowie der ästhetischen Erziehung in allen Lebensbereichen wie sie vom Werkbund und im Jugendstil vertreten wurden.
Als überaus bedeutsam für die Vorgeschichte des Bauhauses zeigt sich der Beitrag Henry van de Veldes, der in Weimar 1902 das Kunstgewerbliche Seminar, eine Beratungsstelle für Handwerk und Gewerbe im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, gegründet hatte und Leiter der Kunstgewerbeschule von 1907 bis 1915 war. Gropius, den van de Velde bereits 1915 als seinen möglichen Nachfolger vorgeschlagen hatte, übernahm nicht nur die von diesem 1904 bis 1911 errichteten Kunstschulgebäude, sondern auch Reste der Ausbildungswerkstätten, Maschinen, Werkzeuge und Materialien. Auch verpflichtete er einige Lehrkräfte. In den Werkstätten der Kunstgewerbeschule unter Henry van de Velde war bereits vor 1910 der Übergang von handwerklichen Techniken zur Industrietechnologie beschritten worden. Erst mehr als zehn Jahre später schrieb Gropius, dass die Bauhaus-Werkstätten „Laboratorien“ für die Industrie sein sollten.
Für das bahnbrechende Weimarer Bauhaus-Programm waren ferner die Diskussionen im Arbeitsrat für Kunst prägend, zu dem sich im Herbst 1918 deutschen Intellektuelle, Architekten und Künstler zusammengeschlossen hatten. Eine Arbeitsgruppe unter Führung von Otto Bartning unter Beteiligung von Walter Gropius diskutierte weitreichende Reformen des Bildungswesens sowie der Kunstschulen und entwickelte im Frühjahr 1919 ein gemeinsames Ideenpapier, das Gropius als Grundlage diente.
Mit der Rückbesinnung auf das Handwerk war die gestalterische Intention verbunden, nicht vergangene, handwerklich entwickelte Stile industriell reproduzieren zu wollen, sondern experimentell und manuell eine neue Formensprache zu entwickeln, die dem industriellen Herstellungsprozess gerecht werden sollte. „Von Morris zum Bauhaus“ lautet ein längst zum Schlagwort gewordener Buchtitel, der das Bauhaus in eine Entwicklungslinie einspannt, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nach England zurückreicht. Der Künstler William Morris (1834-1896) war der Begründer und Wortführer einer Reformbewegung, die die kulturzerstörerischen Folgen der Industrialisierung bekämpfen wollte. In seinen Werkstätten wurden ab 1861 alte Handwerkstechniken wiederbelebt und hochwertige Güter wie Stoffe, Teppiche, Glasmalereien, Möbel und Gebrauchsgerät produziert. Ein eigener Verlag, die Kelmscott Press, stellte Bücher her, die dem Jugendstil den Weg ebneten.
Morris löste eine Reformwelle aus, die einige Zeit später auch nach Deutschland gelangte, wo die Industrialisierung nach der Reichsgründung 1871 eine neue Qualität erreichte. Auch in Deutschland wurde erkannt, dass gut gestaltete Industriegüter ein erheblicher Wirtschaftsfaktor waren: Man studierte das englische Ausbildungssystem, um dann die Kunstgewerbeschulen zu reformieren. Eine ganze Generation von Malern begriff nun die angewandten Künste als wichtigste Aufgabe. Die Dresdner Werkstätten (1898), deren „Maschinenmöbel“ Richard Riemerschmid entworfen hatte, sind das bekannteste Beispiel zahlreicher Gründungen von Werkstätten auf deutschem Boden. In Österreich entstand 1903 die Wiener Werkstätte, deren bedeutendste Vertreter Josef Hoffmann und Koloman Moser waren.
Das Staatliche Bauhaus war von Walter Gropius mit dem Ziel gegründet worden, die Trennung von Handwerkern und Künstlern zu überwinden. Durch ihr Schaffen wollten die Mitarbeiter des Bauhauses gesellschaftliche Unterschiede aufheben. In dieser Intention und in den Ergebnissen bestanden damit vielfältige Ähnlichkeiten und Verbindungen mit Reformbewegungen wie dem 1907 gegründeten Deutschen Werkbund, dessen Mitglied Walter Gropius bis 1933 war.