Was war eigentlich das Bauhaus?
In den knapp 14 Jahren seines Bestehens hat das Bauhaus gestalterisches und künstlerisches Denken und Schaffen weltweit revolutioniert. Hier wirkten bedeutende Lehrer wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer – um nur einige zu nennen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen.
1919–1925: Die Anfangsjahre in Weimar
Der Berliner Architekt Walter Gropius gründete das Bauhaus 1919 als interdisziplinär arbeitende und international ausgerichtete Hochschule für Gestaltung in Weimar. Hier sollten junge, künstlerisch begabte Männer und Frauen Kunst, Architektur und Handwerk zu einer idealen Verbindung bringen und den Bau als Gesamtkunstwerk schaffen. Am Beginn der pluralistischen Ausbildung stand – zumindest in der ersten Phase des Bauhauses – der Vorkurs: Hier wurde den Bauhaus-Studierenden auf pädagogisch neue und experimentelle Weise der Umgang mit dem Werkmaterial vermittelt.
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Danach sah das Bauhaus eine Kombination aus Lehre, Praxis und Forschung vor. Herzstück der Gestalterausbildung war das Experimentieren und Entwerfen in den Bauhaus-Werkstätten, wo die Trennung von Arbeit und Lehre weitgehend aufgehoben war. Jede Disziplin hatte ihre eigene Werkstatt: Keramik, Weberei, Tischlerei, Metall, eine grafische Druckerei, Bühnenwerkstatt, Glas- und Wandmalereiwerkstatt. In jeder Werkstatt gab es einen Werkmeister, der für die handwerklichen und technischen Aspekte zuständig war und einen Formmeister, der sich um die ästhetisch-gestalterischen Seiten kümmerte. Später kamen in Dessau die Werkstätten für Fotografie und Reklame sowie eine geregelte Architekturausbildung hinzu.
Als Professoren hatte Walter Gropius eine Reihe namhafter Künstler engagiert: neben Johannes Itten, Lyonel Feininger und Gerhard Marcks lehrten Paul Klee, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy am Bauhaus – so wurde das Weimarer Bauhaus ein Treffpunkt der internationalen Avantgarde. Ziel der Werkstattarbeit war die Anwendung im Bau und dieser Grundidee eines Versuchslabors für den Bau der Zukunft blieb das Bauhaus trotz seiner zahlreichen Wandlungen, Veränderungen und Neuausrichtungen treu.
1925–1932: Die Dessauer Jahre
Aufgrund politisch bedingter Finanzierungsprobleme verließ das Bauhaus 1925 seine Gründungsstadt Weimar und zog in die aufstrebende Industriestadt Dessau. Hier lockte die Aussicht auf die Realisierung des heute als „Ikone der Moderne“ weltbekannten Schulgebäudes von Walter Gropius, aber vor allem versprach die hier ansässige Industrie eine fruchtbare Zusammenarbeit.
Das Staatliche Bauhaus Weimar war eher expressionistisch und künstlerisch ausgerichtet, mit teils esoterischen Tendenzen. An der Hochschule für Gestaltung in Dessau hingegen kam die Parole „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ zu voller Geltung. Von nun an ging es weniger um das künstlerische Einzelwerk, sondern um den Entwurf gut gestalteter Alltagsprodukte, die in Zusammenarbeit mit der Industrie hergestellt werden sollten. In dieser Zeit entstand dann auch das Gros der bekanntesten Produkte und Bauten, die das Bild des Bauhauses bis heute prägen – von Marcel Breuers Stahlrohrmöbeln über Marianne Brandts Aschenbecher bis zum meistverkauften Erzeugnis: der Bauhaus-Tapete.
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Der theoretische Unterricht wurde auf eine breitere Basis gestellt und andere Fächer wie z.B. Ingenieurswissenschaften, Psychologie oder Betriebswirtschaftslehre in das Lehrprogramm eingebunden. Künftig schlossen Absolventen ihre Ausbildung am Bauhaus mit einem Bauhaus-Diplom ab. Fast alle der namhaften Bauhaus-Meister zogen von Weimar mit nach Dessau und so kam es, dass die neu errichtete Meisterhaussiedlung in Dessau zu einer der wichtigsten Künstlerkolonien der Moderne wurde.
Doch das mittlerweile internationale Renommee und die zahlreichen innovativen Bauten schützten das Bauhaus auch in Dessau nicht vor politischen Anfeindungen, speziell aus den erstarkenden reaktionären rechten Lagern. 1928 gab Gropius – entnervt von kommunalpolitischen Querelen – auf und bestimmte den seit einem Jahr wirkenden Leiter der neu gegründeten Architekturklasse, Hannes Meyer, zu seinem Nachfolger. Dieser sorgte für eine Neuausrichtung des Bauhauses und rückte den sozialen Anspruch in den Mittelpunkt des Schaffens an der Hochschule. Statt um große Kunst ging es nun vor allem um Wissenschaft und die Frage, wie man erschwingliche und gut gestaltete Produkte und Bauten für alle schaffen bzw. bauen kann.
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Neben der Volkswohnung waren vor allem die Laubenganghäuser in der Experimentalsiedlung Dessau-Törten und die ADGB-Bundessschule in Bernau architektonische Beispiele von Meyers Idee einer kollektiven Gestaltung mit sozialem Anspruch. Wieder war es die Politik, die 1930 Hannes Meyers Direktorschaft beendete: Zahlreiche Studierende hatten sich politisch radikalisiert und engagierten sich für den Kommunismus. Meyer – selbst Marxist – wurde für diese Entwicklung verantwortlich gemacht und fristlos entlassen.
Auf Anraten von Gropius wurde der Architekt Ludwig Mies van der Rohe, der u. a. mit seinem Barcelona-Pavillon auf der Weltausstellung 1929 international für Furore gesorgt hatte, der dritte und letzte Bauhaus-Direktor. Ihm ging es vor allem um eins: Architektur und ihre Ästhetik, ohne große kunsttheoretische oder sozialpolitische Umschweife. So kam es, dass sich das Bauhaus auch in seiner letzten Phase weiter veränderte: Der Vorkurs wurde abgeschafft, die Werkstattarbeit in Form und Bedeutung reduziert und auf die Zuarbeit zur zeitgemäßen Baukunst ausgerichtet. Trotz der Entpolitisierung musste das Dessauer Bauhaus am 30. September 1932 auf Beschluss der nationalsozialistischen Mehrheit in der Dessauer Stadtversammlung schließen – befeuert von langjährigen Bauhaus-Gegnern wie Paul Schultze-Naumburg.
1932–33: Über Berlin in die Welt
Für ein Semester versuchte Ludwig Mies van der Rohe, das Bauhaus in einer alten Telefonfabrik in Berlin-Steglitz als Privatinstitution weiterzuführen. Doch sorgten ab April 1933 die Nationalsozialisten mit der Versiegelung des Gebäudes, einem Zahlungsstop für Lehrkräfte und schließlich der Auflösung des Mietvertrages für die endgültige Zersetzung des Bauhauses, dessen Auflösung der dritte und letzte Direktor am 10. August 1933 in einem Rundschreiben bekannt gibt.
Der Schule wurde so ein Ende gesetzt, doch nicht ihren Ideen: Zahlreiche Bauhäusler gingen ins Exil und trugen neben den vielen heimkehrenden internationalen Studierenden aus 29 verschiedenen Ländern zur Verbreitung des Bauhauses in der ganzen Welt bei: sei es in den Nachfolgeinstitutionen wie dem New Bauhaus in Chicago oder dem Black Mountain College in den Wäldern North Carolinas, sei es in der im International Style gebauten Weißen Stadt in Tel Aviv oder in der Sammlung des New Yorker MomA, dessen Gründungsdirektor Alfred H. Barr sich am Bauhaus orientierte und neben den klassischen Künsten auch Fotografie, Design und Architektur ausstellte.
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Ein einheitlicher Bauhaus-Stil existiert dagegen nicht – dafür war das Bauhaus zu vielschichtig und heterogen. Genau das ist es, was es auch heute noch so interessant und aktuell macht: Das Bauhaus war eine interdisziplinäre, internationale Ideenwerkstatt, an der sich unterschiedliche Meinungen, Theorien und Stilrichtungen verdichteten – auf der Suche nach dem Neuen Menschen, dem Neuen Bauen, dem Neuen Wohnen; an der es vor allem um einen offenen Umgang mit Methoden und Ideen ging: nämlich darum, die Welt neu zu denken.
[AG/GB 2016]