Learning From
Ausgehend von Paul Klees Zeichnung Teppich aus dem Jahr 1927 stellt das Ausstellungskapitel Learning From künstlerische Forschung zu außereuropäischen Handwerkstechniken und Alltagskulturen ins Zentrum. Das Studium vormoderner Handwerkskunst war Teil des Bauhausprogramms, das dem manuell hergestellten Objekt und dem damit verbundenen Wissen große Bedeutung zuwies. Die Beschäftigung mit vormodernen, auch außereuropäischen Artefakten und Praktiken zieht sich kontinuierlich durch die Arbeit von Bauhauslehrenden und -studierenden, auch über ihr Wirken in Deutschland nach 1933 hinaus.
Die künstlerische Erforschung lokaler Handwerkspraktiken in Nord-, Mittel- und Südamerika und die Wiederbelebung präkolonialer Kulturen trugen Mitte des 20. Jahrhunderts dazu bei, die Formensprache der Abstraktion sowie neue Verfahrensweisen in der Weberei zu entwickeln und die Kunstrichtung der Fiber Art zu etablieren. Allerdings berücksichtigte das Studium nichtwestlicher Kunst- und Kulturpraxis weder die koloniale, zu Teilen gewalttätige und illegitime Inbesitznahme von Kulturgütern, noch die soziale, ökonomische und politische Zerrüttung, die der europäische Kolonialismus in Nord- und Südamerika, Afrika und Asien hinterlassen hat und die bis heute nachwirkt.
Die Wertschätzung der lokalen Kulturproduktion in Brasilien ist so eher als ein Gegenentwurf zur europäischen Moderne zu lesen, in der die koloniale Gewalt gegen die indigene Bevölkerung fortwirkte. Im Prozess der kulturellen Dekolonisierung im postrevolutionären Mexiko und postkolonialen Marokko erhielt die Programmatik, präkoloniale Kulturproduktion in die Sprache der Moderne zu übersetzen, wiederum eine gesellschaftspolitische Dimension – was beispielsweise der Rückgriff auf lokale Kunstpraktiken durch die Werkstatt für populäre Grafik in Mexiko oder die École des Beaux-Arts in Casablanca belegt. Learning From zeigt, dass die Bauhausmoderne einerseits transkulturellen Begegnungen und asymmetrischen Machtverhältnissen geschuldet war. Andererseits brachte die Synthese vormoderner und moderner Künste im Kontext von Dekolonisierung und kultureller Selbstbestimmung auch Ansätze hervor, die koloniale und patriarchale Kulturpraktiken überwinden wollten.
Learning From wurde mit dem SESC Pompeia (São Paulo) und dem Haus der Kulturen der Welt (Berlin) realisiert, in Kooperation mit Elissa Auther, Erin Alexa Freedman (New York City), Anja Guttenberger (Berlin), Maud Houssais (Rabat), Luiza Proença (São Paulo). Der algerisch-französische Künstler Kader Attia und der brasilianische Architekt und Theoretiker Paulo Tavares enwickelten je neue Arbeiten für dieses Kapitel.