Üben heißt Erfahrungen machen
Nina Wiedemeyer, Friederike Holländer und Sarah Lamparter haben das „original bauhaus übungsbuch“ produziert. Drei Fragen für das kreative Trio.
Wie kam das „original bauhaus übungsbuch“ zustande?
Friederike Holländer: Als Bauhaus Agentin arbeite ich unter anderem mit Schulen zusammen, und am Anfang entstand dadurch die simple Frage: Was bedeutet es eigentlich, dass das Bauhaus eine Schule war? Man beschäftigt sich mit dem Unterricht am Bauhaus und landet unweigerlich beim berühmten Vorkurs, der noch heute unseren Kunstunterricht prägt.
Nina Wiedemeyer: Wir wollten wissen, was denn eigentlich die Aufgabenstellungen in diesem legendären Vorkurs waren, und stellten fest, dass es in der umfangreichen Bibliothek des Bauhaus-Archivs kein Buch dazu gab – und auch woanders nicht! Natürlich gibt es unzählige Publikationen zum Vorkurs, aber keine, welche die Übungen im Detail vorstellen. Dann haben wir angefangen, zu forschen, und haben ganz disparate Stücke zusammengetragen – Notizen und Erinnerungen von Bauhäusler*innen auf Zetteln, in Tagebüchern, Briefen und am Rand von Zeichenblättern, natürlich auch die Vorkursarbeiten selber, aber auch theoretische Ansätze zum Thema Üben und Anleiten.
Welche Überlegungen stecken hinter der Gestaltung?
Sarah Lamparter: Die erste Prämisse war, dass das „übungsbuch“ nichts Repräsentatives sein sollte wie etwa ein Ausstellungskatalog, sondern ein Gebrauchsbuch. Es sollte zum Beispiel auf einen A3-Kopierer passen, damit es als Unterrichtsmaterial benutzt werden kann.
NW: Es ist ja auch eine Art Quellensammlung. Wir zeigen die unterschiedlichsten Quellen im Original, damit die Leser*innen sich selbst ein Bild machen können. Das meiste haben wir professionell fotografieren lassen, aber es sind sogar ein paar meiner Handy-Schnappschüsse von Archivmaterial im Buch gelandet! Den Abbildungen wird im „übungsbuch“ viel Raum gegeben.
SL: Der Erwartungsdruck war ja sehr hoch – wenn man als Gestalterin ein Buch zum 100. Geburtstag des Bauhauses macht, bleibt das nicht aus. Ein wichtiges Ordnungskriterium für das Buch wurde dann das, was ich die „Bürokratie“ nenne: Das Buch besteht ja aus Aufgaben, aus Lösungen und aus Kommentaren. Diese unterschiedlichen Bestandteile wollten wir auch in der Typografie sichtbar machen. So sind zum Beispiel die Aufgaben in einer Grotesk gesetzt, die Kommentare in einer Serifenschrift. Die Schrift des Inhaltsverzeichnisses, in dem sozusagen die Verwalter des Erbes sprechen, ist eine nüchterne Monospace. Wir haben uns bewusst für Vor-Bauhaus-Schriften entschieden, um vom Bauhaus als Supermodel für Gestaltung frei zu sein.
Was haben Sie durch die Arbeit am „übungsbuch“ gelernt?
FH: Uns wurde noch einmal sehr deutlich – gerade durch den Mangel an zusammenhängender Überlieferung – dass es im Vorkurs nicht um Ergebnisse ging, sondern um Erfahrungen! Deshalb sagt das „übungsbuch“ auch nicht: „Genau so war es.“ Manche der Übungen sind historisch verbürgt, andere nur erinnert oder aus Spuren rekonstruiert.
NW: Wir denken ja beim Bauhaus allzu oft an bestimmte Objekte – mit dem „übungsbuch“ wollte ich den Blick, auch meinen eigenen, noch einmal ganz bewusst auf den Unterricht lenken. Das Lernen im Vorkurs war einerseits sehr frei, weil es nicht auf bestimmte Ergebnisse ausgerichtet war. Dennoch war der Vorkurs alles andere als eine Aufforderung zum „Do it yourself“. Die intensive, oft wochenlange Beschäftigung mit einem Material forderte die Studierenden heraus, so einfach die Aufgabenstellungen erstmal klingen. Das war teilweise auch frustrierend. Und so war der Vorkurs nicht bei allen beliebt. Es gab sogar einen offenen Brief von Studierenden, in dem sie den Sinn des Vorkurses bezweifelten.
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Nina Wiedemeyer ist Kuratorin am Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung und hat die Jubiläumsausstellung „original bauhaus“ kuratiert.
Friederike Holländer ist Bauhaus-Agentin am Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung.
Sarah Lamparter ist Grafikerin und Mitgründerin des Gestaltungsbüro Otto Sauhaus.
original bauhaus übungsbuch, hrsg. von Friederike Holländer und Nina Wiedemeyer für das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Prestel Verlag, 160 Seiten, Deutsch und Englisch