„Ich kann das!“
Interview mit der Bauhaus Agentin Tullia Tarsia in Curia
Wie vermittelt man Kindern und Jugendlichen das Bauhaus? In Berlin, Weimar und Dessau arbeiten die Bauhaus Agenten daran, diese Frage zu beantworten – und gestalten so die neuen Bauhaus-Museen mit. Nachdem sie bereits in Weimar sehr erfolgreich unkonventionelle Wege in der Vermittlung und Museumsgestaltung definiert haben, bereiten sie sich jetzt auf die Eröffnungen in Dessau und Berlin vor. Der perfekte Moment, um mit einer Agentin ins Gespräch zu kommen: Tullia Tarsia in Curia berichtet über ihre Arbeit, ihre Erfahrungen und das Glück, junge Menschen auf einem Stück ihres Weges zu begleiten.
Frau Tarsia in Curia, warum ist es heute so wichtig, dass sich Kinder & Jugendliche mit Kunst und Kultur auseinandersetzen?
Ich antworte darauf mit einem Zitat von Friedrich Schiller: „Denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit!“
Welchen Beitrag können die Agenten dazu leisten, dass die Stärke dieser Tochter der Freiheit erhalten bleibt und wertgeschätzt wird?
Wir möchten neue Zugänge zu Kunst und Kultur eröffnen. Im Bauhaus Agenten Programm haben wir das Glück, dass wir Dinge ausprobieren können – zum Beispiel eine eigene Schülervernissage machen für die große Jubiläumsausstellung des Bauhaus-Archiv original bauhaus, die ab September 2019 in der Berlinischen Galerie zu sehen sein wird . Das tun wir Agenten nicht alleine, sondern in Zusammenarbeit mit Schülern, Lehrern, Künstlern und Kollegen.
Wie muss denn Kunst heute vermittelt werden, damit es junge Menschen packt, sie sich begeistern oder interessieren? Was brauchen junge Menschen in einem Museum oder einem Kunstprojekt?
Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht. Im Bauhaus Agenten Programm versuchen wir, genau das immer wieder aufs Neue herauszufinden.
Können Sie uns ein paar konkrete Beispiele aus Ihrer Arbeit nennen?
Ein Projekt ist das „Bauhaus Curriculum“ in der Walter-Gropius-Schule: eine Sammlung von Bauhaus-Lernkarten, die mit Schülern, Lehrern und der Künstlerin Doro Petersen entwickelt wurden. Außerdem habe ich mit den Schülerinnen und Schülern des Otto-Nagel-Gymnasiums und der Designerin Rose Epple mit Schildern und Plakaten ein Leitsystem für die Schule entwickelt, das die Orientierung erleichtert.
Welche Projekte sind für den Rest von 2019 und 2020 geplant?
Für die Jubiläumsausstellung original bauhaus, plane ich mit meinen Partnerschulen eine Schülervernissage, die die Wünschen und Ideen der Schüler berücksichtigt. Zusätzlich arbeite ich mit Künstlern und Vermittlern zusammen, um mehrere Werkstätten wie zum Beispiel für Textildesign und für Game Design aufbauen zu können und den Schülern des Bauhaus Agenten Programm zugänglich zu machen. Ich begleite auch die Gruppe „Junges Bauhaus“ weiter, die mit der Kuratorin Nina Wiedemeyer an der Ausstellung mitgearbeitet haben. Gerade planen wir mit ihnen einen Podcast.
Vielfalt ist also Agenten-Programm. Gibt es trotzdem ein Ziel, das alle Projekte verbindet?
Ja. Ich möchte ein kollaboratives Arbeiten in Gang setzen, das es uns ermöglicht, Wissen auszutauschen und uns selbst zu verändern.
Gab es einen Moment in Ihrer Arbeit, wo sie gemerkt haben, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben? Eine spezielle Begegnung, ein Kurs?
Ja! Im Projekt „Audio Walk. Growing Up Gropius“. Wir haben an der Walter-Gropius-Schule gemeinsam mit einer Musikklasse, einem Musiklehrer und dem Soundkünstler Alexandre Decoupigny einen Audiorundgang entworfen, der uns durch die Umgebung der Schule begleitet, aber auch durch die Gropiusstadt. Die Schüler haben Musikstücke produziert, die Texte selbst geschrieben und eingesprochen. Was mich besonders berührt hat, war, dass einer der Schüler, der als Sprecher mitgewirkt hat, aus dieser Erfahrung einen Beruf machen will. Er hat quasi durch die Auseinandersetzung mit der Kunst ein Ziel für die Zukunft gefunden. Und das ist für mich sehr spannend.
Also Selbstwerdung durch Kunst, sich ganz neu und anders selbst erleben?
Teilweise schon. Die Projekte sind auch darauf ausgerichtet, etwas in den Schülern zu erwecken. Wir sagen nicht: „Du kannst das!“ Wir ermöglichen ihnen zu sagen: „Ich kann das!“.
Gibt es ein Format, das die Schüler besonders begeistert?
Meine Erfahrung: Was gut ankommt, ist der Dialog mit Künstlern. Immer dann, wenn Schüler eins zu eins erfahren, wie viel Arbeit in Kunst steckt, wie sie gemacht wird. Das schafft eine direkte Verbindung mit dem Thema jenseits von Schulbuch und Klausur und Kunstunterricht. Eine Offenheit. Darauf reagieren sie sehr stark, das finden sie spannend. Und wenn sie diese Erfahrung mitnehmen in ihren Alltag, dann haben wir etwas bewegt.
Spielt es dabei eine Rolle, wie kulturaffin Schulen oder Schüler sind?
Wir agieren ja in Schulen, die sich an völlig unterschiedlichen Standorten befinden. Wir gehen mit einer offenen Haltung in jede Schule. Es kommt nicht darauf an, in welchem Bezirk die Schule sich befindet. Es sind die Menschen, die Lehrer vor Ort, die den Unterschied machen. Wie sie arbeiten, wie sie mit den Schülern agieren ist wichtiger als alles andere. Wie viel Zeit sie sich nehmen möchten oder können.
Kennen die Schüler überhaupt das Bauhaus?
Wir arbeiten fast jedes Jahr mit denselben Lehrern, aber nicht mit denselben Schülern. Also fangen wir jedes Jahr neu an, das Thema Bauhaus zu verwurzeln. Es ist nicht immer einfach, den Schülern das Thema zugänglich zu machen. Unser Ansatz ist es, das historische Bauhaus vorzustellen und daraus aktuelle Themen abzuleiten, die für die Schüler relevant sind. 2020 wird ein Vermittlungstool online gehen, die „Bauhaus-Box“, die die Agenten-Projekte aus Dessau, Weimar und Berlin zusammenfasst. Das Bauhaus wird dabei nicht auf die Bereiche Kunst und Kultur beschränkt, sondern es geht zum Beispiel auch darum, wie man Bauhaus-Prinzipien in den Matheunterricht einbinden kann. Oder wie Naturwissenschaften vom Bauhaus profitieren können.
Drei Begriffe, die Ihre Arbeit beschreiben?
Ein hohes Maß an Kreativität, Diplomatie und Organisationstalent. Und Utopie muss auch sein.
Danke für das Gespräch, Frau Tarsia in Curia.
Infos www.bauhausagenten.de
[TF 2019]