Der Neue Mensch in Bewegung

Bauhaus als Fest

Während man in Weimar bei den Bauhausfesten noch weitgehend unter sich geblieben ist, öffnete man die Feste im neuen Dessauer Bauhausgebäude für eine breitere Öffentlichkeit. Dadurch wurden diese Anlässe nun auch zu einer Propagandaveranstaltung der Schule. Das Publikum sollte erleben, wie das Bauhaus seine Studierenden zu selbstbewussten, mutigen, experimentierfreudigen Gestalterpersönlichkeiten erzog.

Klassik Stiftung Weimar.
Bauhausfest im Ilmschlösschen bei Weimar, Foto: Louis Held, 29.11.1924.

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Vor allem das „Metallische Fest“ beziehungsweise das „Glocken-Schellen-Klingel-Fest“, das am 9. Februar 1929 im Bauhaus Dessau als Faschingsfeier stattfand, ging in die Kunstgeschichte ein. Das liegt auch daran, dass von keinem anderen Bauhausfest so viele Bilder überliefert sind. Bekannt ist zum Beispiel das Foto von Marianne Brandt, das sie mit einer verchromten Messingschüssel auf dem Kopf und einem dicken Reif um den Hals zeigt. Die Bilder, die von diesem Fest bekannt sind, entsprechen oft jenen Schnappschüssen, aber auch inszenierten Fotos, wie sie aus zahllosen Bildbänden über das Bauhaus bekannt sind. Es sind vor allem die komponierten Fotografien, die die Perspektive des bloßen Abbildes mittels Spiegelung, Mehrfachbeleuchtung und Fragmentierung sprengen, die heute unsere Vorstellungen von der Dynamik des Bauhauslebens prägen. Sie interpretieren, akzentuieren, verzerren, inszenieren mit oft magischer Wirkung.

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Die Bauhausfeste spiegelten diese gemeinsame Grundhaltung vielleicht mehr als etliche, heute zu Designikonen gewordene Objekte wider – wie die Bauhaus-Leuchte von Wilhelm Wagenfeld, die Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer oder die kubische Bauhaus-Architektur von Walter Gropius.
 So gesehen können die Bauhausfeste auch als Gesamtkunstwerke beschrieben werden, in denen sich das ganze Bauhauskollektiv – man könnte auch sagen: das Bauhaus als künstlerische Arbeits- und Lebensgemeinschaft – so umfassend wie nirgends sonst inszeniert und programmatisch dargestellt hat. In den  Festen manifestierte sich schließlich Gropius’ Vision einer neuen Raumkunst, wie er sie 1923 in seinem Text „Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses Weimar“ als große Gesamtvision beschrieben hatte: „Alle bildnerische Arbeit will Raum gestalten. Soll aber jedes Teilwerk in Beziehung zu einer größeren Einheit stehen – und dieses muss das Ziel des neuen Bauwillens sein –, so müssen die realen und geistigen Mittel zur räumlichen Gestaltung von allen am gemeinsamen Werk Vereinten gekonnt und gewusst werden. Und hier herrscht große Verworrenheit der Begriffe. Was ist Raum, wie können wir ihn erfassen und gestalten? (...) Den bewegten lebendigen künstlerischen Raum vermag nur der zu erschaffen, dessen Wissen und Können allen natürlichen Gesetzen der Statik, Mechanik, Optik, Akustik gehorcht und in ihrer gemeinsamen Beherrschung das sichere Mittel findet, die geistige Idee, die er in sich trägt, leibhaftig und lebendig zu machen. Im künstlerischen Raum finden alle Gesetze der realen, der geistigen und der seelischen Welt eine gleichzeitige Lösung.“

Beim Metallischen Fest bot sich allein schon durch die Dominanz des spiegelnden Metalls eine besondere Gelegenheit zur Herstellung solcher Fotografien. Es scheint, als wollen diese Bilder der inspirierenden Kraft der Bauhaus-Idee, der „Utopie vom Neuen Menschen“, durch eine neue Art des Sehens Ausdruck verleihen.

Bauhaus-Archiv Berlin
Das Atelier in der Kugel (Selbstportrait), Bauhaus Dessau, 1928-29 Originalnegativ im Bauhaus-Archiv, Berlin

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Am Bauhaus war man fasziniert von den damals noch neuen Medien Kino und Telefon. Man beobachtete die Anfänge des Fernsehens, die neue Art der Lichtreklame in den Großstädten, die technische Kultur der Vergnügungsparks, Varietés und Revuen, die Illustrierten und insgesamt eine sich neu entwickelnde urbane Freizeit- und Konsumkultur. Man sah eine neue, vielversprechende Massengesellschaft im Entstehen, die auf der Basis industrieller Serienfertigung, der Massenproduktion von Waren und Wohnungen einen neuen, klassen- und schichtenübergreifenden Wohlstand ermöglichen könnte. Ohne die dabei deutlich sichtbaren sozialen und ökonomischen Spannungen – die kapitalistische Wirklichkeit – auszublenden, glaubte man dennoch genug Gründe dafür zu haben, sich vor allem positiv und bejahend gegenüber den neuesten technischen Möglichkeiten zu verhalten.

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Dementsprechend experimentierte man in der Bühnenwerkstatt mit elektrischen Lichtspielgeräten. Ludwig Hirschfeld-Mack baute einen Apparat zur Erzeugung „Reflektorischer Lichtspiele“. László Moholy-Nagy entwickelte von 1922 bis 1930 einen „Licht-Raum-Modulator“, eigentlich ein „Lichtrequisit für die elektrische Bühne“. Im „Total-Theater“, das Walter Gropius 1927 für die Volksbühne von Erwin Piscator in Berlin als neuartigen Theaterapparat konzipierte, sollte sich nicht nur der Bühnenraum ständig verwandeln können, sondern sollten auch gigantische Projektionsgeräte eine Atmosphäre erzeugen, in der sich Publikum und Darsteller als gemeinsame Angehörige eines neuen Massenkollektivs erfahren können. Denn trotz aller Unterschiedlichkeit der Zugänge zu künstlerischen und gestalterischen Fragen verband die Bauhäusler doch eine durch und durch positivistische Haltung; der Wille, stets das Beste aus den herrschenden Bedingungen zu machen und die Technisierung und Industrialisierung der Arbeits- und Lebenswelt als Herausforderung anzunehmen.

Bauhaus-Universität Weimar, Archiv der Moderne / © Kunstverein Hannover
Reflektorisches Lichtspiel, Autor: Kurt Schwerdtfeger / Foto: Fotoatelier Hüttich & Oemler, Weimar, 1922–1923.

Zur Person

Torsten Blume (Dessau) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Künstler und Choreograf an der Stiftung Bauhaus Dessau.

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Felix Klee, der Sohn von Paul Klee, berichtete rückblickend: „Am Bauhaus fand jedes Wochenende ein kleines Fest statt. Und alle Monate wurde ein großes Kostümfest unter irgendeiner lustigen Devise veranstaltet. (...) Vier Feste, in jeder Jahreszeit eines, bildeten die Höhepunkte.“ In diesen Festen, die meist von den Mitgliedern der Bühnenwerkstatt initiiert und koordiniert worden sind, feierte sich das Bauhaus zum einen selbst als avantgardistische, zukunftsorientierte Künstlergemeinschaft. Auf der anderen Seite wurde in den intermedial inszenierten Räumen, Installationen und einzelnen Performances immer auch Marketing betrieben. Ihre Absicht: das Gesamtziel des Bauhauses, die Gestaltung einer neuen, modernen Lebenswelt, den immer zahlreicher erscheinenden Gästen aus aller Welt exemplarisch und publikumswirksam vor Augen zu führen.

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