Siedlung Georgsgarten
Dem Architekten Otto Haesler ist es zu verdanken, dass sich Celle in den 1920ern neben Berlin und Frankfurt zu einem wichtigen Zentrum des Neuen Bauens entwickelte. Mit der Wohnsiedlung Georgsgarten von 1926 realisierte Haesler erstmals eine offene Zeilenbauweise. Dank typisierten Grundrissen und maximaler Flächenausnutzung entwickelte er bezahlbaren Sozialwohnungsbau mit hohem Komfort. Die „Mustersiedlung“, wie viele Architekturkritiker sie nannten, beeinflusste maßgeblich den Wohnungsbau der Moderne.
Die Siedlung setzt sich aus dreigeschossigen Wohnzeilen zusammen, die nach Osten und Westen orientiert sind und von Wohnstraßen erschlossen werden. Es war damals ein Novum, die Häuserzeilen nicht längs zur Hauptstraße, sondern mit der Giebelseite dazu auszurichten. Die Wohnungen profitierten auf diese Weise von der Vormittags- und Nachmittagssonne sowie der Ausrichtung zu den ruhigeren Gärten. Heraustretende, verglaste Treppenhäuser strukturieren die Westfassaden. Die Ostfassaden werden von Erkern und Balkonen rhythmisiert. Diese waren ursprünglich, wie auch die Fenster, farbig abgesetzt. Das Konzept stammte vom Maler und Architekten Karl Völker.
Die Wohnungen variierten zwischen 50 und 71 qm und wiesen sogenannte Kabinengrundrisse auf. Diese sind anhand der Bettenzahl und nicht wie üblich an der Zimmerzahl ausgerichtet. Die größten Wohnungen waren für sechs Betten ausgelegt. Haesler hatte dieses Aufteilungssystem vom Architekten und Bauhäusler Ludwig Hilberseimer übernommen. Um eine maximale Flächenausnutzung bei möglichst geringen Mietpreisen zu erzielen, wurden die Schlafzimmer nicht über einen Flur, sondern direkt über den Wohnraum erschlossen. Auf Badezimmer wurde verzichtet. Dafür stand allen Bewohnern ein zentrales Waschhaus zur Verfügung.
Darüber hinaus gab es in den eingeschossigen Anbauten an der Hauptstraße ein Café, eine Bücherei, Geschäfte und einen Kindergarten, der auch heute noch besteht. Über Pachtgärten, die zur Anlage gehörten, konnten sich die Bewohner selbstversorgen. Die Freiraumplanung realisierte der bekannte Landschaftsarchitekt Leberecht Migge, der sich für viele andere Siedlungen der Moderne verantwortlich zeichnete. Alle sechs Zeilen sind weiterhin bewohnt. Die Grundrisse wurden jedoch an heutige Bedürfnisse angepasst. Von den Gärten, die der Siedlung einst den Namen gaben, existieren dagegen leider nur noch wenige. [KS]