Inspiriert von Bauhaus - Gotha erlebt Moderne

Diese Veranstaltung findet statt im Rahmen von Inspiriert von Bauhaus - Gotha erlebt Moderne.

Wann?

Do, 14.11.2019 | 19:00 - 22:00

Was?

Vernissage

Mit ihren modernen Ideen schaffte sie es, die altmodischen, überladenen und wenig kreativen Produkte des Werks in einer Bauhaus-Ästhetik neu aufleben zu lassen.

Marianne Brandt (*1893 – †1983): Die gebürtige Chemnitzerin Marianna Brandt zählt noch heute zu den bekanntesten Bauhauskünstlern. Nachdem sie ihre Ausbildung am Staatlichen Bauhaus in Weimar absolvierte, arbeitete Marianne Brandt für einige Zeit im Berliner Atelier von Walter Gropius, der 1919 die Kunsthochschule und damit das Bauhaus-Design begründete. Im Jahr 1929 verschlug es sie jedoch nach Gotha. Als neue Leiterin der „Entwurfsabteilung Metall- und Massengüter“ der Metallwarenfabrik Ruppelwerke GmbH Gotha, war es ihr zwischenzeitlich gelungen, einen bedeutenden Wandel herbeizuführen: Mit ihren modernen Ideen schaffte sie es, die altmodischen, überladenen und wenig kreativen Produkte des Werks in einer Bauhaus-Ästhetik neu aufleben zu lassen. Charakteristisch für Ihre Arbeiten war vor allem die Verbindung von Glas und mattschwarz lackiertem Metall. So werden auch heute noch ihre entworfenen Haushaltsgegenstände, wie Lampen und Teeservices, Schalen und Schreibtischgarnituren, als Design-Klassiker in unveränderter Form hergestellt.

"lieb wäre mir, wenn sie das ruppelwerk nicht mit namen nennen wollten, die herren sind recht empfindlich und doch wäre es schwer möglich den erfolg der arbeit in gotha nachzuweisen, wenn man keinen vergleich zu 'vorher' brächte. leider habe ich aus dem 'vorher' nicht die krassesten beispiele geben können, weil mir das material fehlte."

Es lässt sich wohl kaum dramatischer zusammenfassen, mit welcher Enttäuschung die Bauhauskünstlerin Marianne Brandt über ihre dreijährige Tätigkeit in Gotha berichtete. Der künstlerisch-moralische Absturz vom progressiven Bauhaus in einen maroden Industriebetrieb und dessen Betriebsklima muss sie stark getroffen haben, so ist es aus den Zeilen heraus zu lesen. Und doch sind es genau diese Zeilen, die erst Jahrzehnte später die gestalterische Leistung dieser Frau offenbaren.

Im Frühjahr 1935 hatte der Bauhausgründer Walter Gropius aus seinem Londoner Exil in einem Rundschreiben ehemalige Bauhäusler darum gebeten, ihm zu berichten, ob der Bauhaus-Gedanke in die Praxis umgesetzt werden konnte. Eine seiner Wegbegleiterinnen, die 1893 in Chemnitz geborenen Marianne Brandt, hatte ihm in einem Brief ausführlich darauf geantwortet.

Glücklicherweise sind diese Dokumente erhalten geblieben und im Bauhausarchiv Berlin hinterlegt. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass es heute überhaupt einen Hinweis auf ihre Tätigkeit in Gotha gibt. Sonst hätte möglicherweise kaum jemand davon gewusst, dass die heute weltbekannte Chemnitzerin von 1929 – 1932 im Gothaer Ruppelwerk gearbeitet und „unbewusst“ Designgeschichte geschrieben hat.

Die Künstlerin war bis dato keine Unbekannte mehr, lernte, arbeitete und lehrte sie schon von 1923 bis 1925 im Weimarer Bauhaus und wechselte sodann mit anderen Künstlern in das neu gebaute Domizil nach Dessau. Für eine Frau zur damaligen Zeit undenkbar, lernte sie in der Metallwerkstatt, einer reinen Männerdomäne. In Dessau wurde sie sogar zeitweise die Leiterin dieser Werkstatt.

Der für die damalige Zeit revolutionär, sachliche Entwurf des sogenannten Tee-Extraktkännchens zählt heute zu den schönsten Kunstgewerbeobjekten weltweit. Entsprechend positiv liest sich auch das Befähigungszeugnis aus dem Jahr 1929, unterschrieben von Walter Gropius und László Moholy-Nagy.

"frau brandt ist bestimmt in der lage, ihr anvertraute aufgaben vollkommen im sinne der bauhausarbeit zu lösen, und wir glauben, dass sie in ihrer zukünftigen arbeit weiter zu hervorragenden leistungen kommen wird."

Das Dessauer Bauhaus wurde 1929 geschlossen und viele Mitarbeiter mussten sich eine passende Arbeit in der Industrie suchen. Anfang Dezember des gleichen Jahres trat Marianne Brandt ihre Stelle in der METALLWARENFABRIK G.m.b.H. RUPPELWERK GOTHA an. Als zukünftige Leiterin der Entwurfsabteilung für sogenannte Galanteriewaren stand sie einer völlig veralteten Produktpalette gegenüber. Diese entsprach historistischen Vorbildern bis hin zu Kitschobjekten für Skat- und Schanktische.

In nur kurzer Zeit gelang es der Gestalterin jedoch, Maßstäbe zu setzen. Zweckmäßige, nützliche Produkte in schlichter Formensprache und ohne jedes überflüssige Dekor entstanden. Die Ruppel-Produkte wurden seriell hergestellt und waren für den Massenbedarf gedacht. Die in Gotha produzierten Artikel waren seit jeher allesamt anonyme Werksentwürfe. Das änderte sich aber auch nicht durch die neu ins Programm aufgenommenen Serienentwürfe der Metallgestalterin Marianne Brandt. Heute unvorstellbar, schmückt man sich doch gern mit renommierten Namen. Somit war es bis vor einigen Jahren kaum nachweisbar, welche Entwürfe nun tatsächlich aus der künstlerischen Hand Brandts stammen.

Bedenkt man, dass sie ihr Arbeitsverhältnis im Dezember 1929 begann und ihr Arbeitsvertrag im Oktober 1932 aufgelöst wurde, so erscheint es logisch, dass es nicht möglich war, eine über Jahrzehnte eingefahrene Produktion von mehreren hundert Artikel grundlegend und radikal im Sinne einer zeitgemäßen modernen Formsprache zu erneuern.

Erst durch die umfangreichen Recherchen zur 2009 stattgefundenen Gothaer Ausstellung „Modern, aber nicht Modisch – Bauhauskünstler in Gotha“, an denen der Autor maßgeblich beteiligt war, konnte Licht ins Dunkel gebracht werden.

Im oben genannten Brief an Walter Gropius hat Marianne Brandt die breite Palette ihrer Entwürfe aufgelistet. Sie reicht von Serviettenständern, Kerzenleuchtern über Schreibtischgarnituren bis hin zu modernen Tischuhren. Sie legte dem Fragebogen einige Fotokollagen von RUPPEL Erzeugnissen vor und nach ihrer Anstellung bei. Darüber hinaus wurde auch das grafische Bild der Ruppel-Werbematerialien im klassisch, sachlichem Stil des Bauhauses von ihr erneuert und dokumentiert. Des Weiteren wurden alte Musterbücher und private Dokumente aufgefunden, deren Bildmaterial ihre eindeutige Handschrift belegen. Tragischerweise hatte die Künstlerin nie so recht an den Erfolg ihrer Arbeit geglaubt. Dazu kommt der Umstand, dass sie es als sensible Künstlerin in den Werkhallen einer Metallwarenfabrik alles andere als einfach gehabt haben muss.

Mit bescheidenen Worten beschrieb sie somit auch ihre Arbeit als Gestalterin im Ruppelwerk im Brief an Walter Gropius: "ich hatte die gesamte entwurfsarbeit u. überarbeitung der artikel abteilung "kunstgewerbe" zu besorgen. allgemein wurde mir versichert, das es mir gelungen sei, dass früher recht verworrene u. wenig erfreuliche gesamtbild der produktion dieser abteilung in ein zeitgemässeres zu verwandeln." Und das war es auch schon.

Erst mit dem heutigen Wissensstand wird ihre wahre künstlerische Leistung und ihr Einfluss auf unser heutiges Alltagsdesign deutlich. Mit ihren Gestaltungsergebnissen war Marianne Brandt ihrer Zeit weit voraus.

Stellt man einige Objekte aus Gothaer Produktion vor 1929 denen von Marianne Brandt gestalteten neuen Objekten gegenüber, begreift man wie unerkannt erfolgreich sie eigentlich war! Fast 100 Jahre nach Gründung des Bauhauses gehören diese Produkte der Metallwarenfabrik Ruppelwerk Gotha heute zu den Designklassikern des 20. Jahrhunderts. Glücklicherweise haben das viele Museen weltweit erkannt und Brandtsche Ruppel Objekte in ihre Sammlungen aufgenommen.

Allen voran das Museum of Modern Art „MoMA“ in New York. Dort steht das Tee- Extraktkännchen aus ihrer Weimarer Bauhauszeit vis-á-vis der quadratisch, schwarzen Ruppel-Tischuhr mit vernickeltem Sockel. Entstanden in einer Zeit, in der in vielen deutschen Haushalten verstaubte Gründerzeit-Regulatoren hingen.

Auch das Sächsische Industriemuseum Chemnitz hatte die Chance genutzt und konnte eine umfangreiche Sammlung originaler Gebrauchsgegenstände erwerben, gestaltet vor nunmehr über 85 Jahren von Marianne Brandt für das Ruppelwerk Gotha.

Gezeigt werden Fotos, Objekte und Bilder mit Designbeispielen der Gestalterin. Die fachliche Ausstellungsgestaltung soll der Dipl. Formgestalter Klaus Blechschmidt in Kooperation mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Stiftung Schloss Friedenstein übernehmen.

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Adresse

KunstForum Gotha
Querstraße 13-15
99867 Gotha, Deutschland

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